„Alles bewegt sich“
Wie ein Firmengründer aus Berlin Adlershof nach unverschuldetem Konkurs um die Zukunft seiner Geschäftsidee ringt
Was kann ein Existenzgründer tun, wenn seinem kleinen Unternehmen trotz exzellenter Idee und weitgehender praktischer Umsetzung kurz vor dem Ziel das Geld ausgeht? Manche kämpfen weiter, hauptsächlich um neue Investoren, andere müssen wohl oder übel aufgeben. Der Berliner Festkörper-Physiker Gerrit Herbst zählt zu den Kämpfernaturen, die den Blick auch in schweren Zeiten nach vorn richten.
In den zurückliegenden Jahren hat Herbst eine spezielle Technologie erforscht und entwickelt, die es erlaubt, mit Hilfe ultrakurzer und energiereicher Laserlicht-pulse „auf kaltem Wege, also ohne thermische Reaktionen und Schädigungen, Materialien abzutragen und zu bearbeiten“. Das ist nach seinen Worten ein weltweit neues Verfahren, das die hochpräzise Bearbeitung von Werkstoffen – Metallen, Halbleiterkristallen, Polymeren, Glas und Keramik – in vielen Wirtschaftsbe-reichen ermöglichen und revolutionieren dürfte. Doch der 1996 von dem Wissenschaftler in Berlin Adlershof gegründeten Hightech-Firma war zu Beginn des nächsten Jahrhunderts, „nur etwa sechs Monate vor der Marktreife der Technologie“, der Risikokapitalgeber abhanden gekommen.
„Der Investor selbst wurde liquidiert, und kurze Zeit später traf es uns ohne eigene Schuld ebenfalls“, resümiert Herbst. Anfang 2002 musste er seine sieben Mitarbeiter entlassen. Seither wickelt er die Firma ab, sucht nach neuen Geldgebern, vervollkommnet das Verfahren. Die wissenschaftlichen Grundlagen dafür hatte er bereits vor Gründung der Fimea laser mikromaterialbearbeitung GmbH als Mitarbeiter eines Forschungszentrum der Telekom erarbeitet. Für die praktische Umsetzung flossen später Fördermittel des Bundes an das junge Unternehmen in Adlershof. Nunmehr wird nach Aussage von Herbst eine Gesellschaft entstehen, die sein Verfahren nutzen und weiterführen wird, „denn nach gut zweijährigem Suchen haben sich für dieses Geschäftsfeld Investoren in der Hauptstadt gefunden“.
Hinsichtlich von Details des Verfahrens, nicht aber praktischer Resultate übt sich der heute 62-Jährige in Zurückhaltung. Auch wegen einiger, überraschender Besuche von besonders Neugierigen und somit aus gutem Grunde, wie er betont. Statt dessen zeigt er Aufnahmen von mit seiner Technologie erzeugten Mikrostrukturen, Bilder, die unter dem Rasterelektronenmikroskop entstanden sind. „Meines Wissens bislang einmalig ist, dass bei dem Verfahren der Materialabtrag nicht über thermische Prozesse, sondern die Ionisation von Materie erfolgt und auf diese Weise Schäden oder Gratbildungen am Werkstoff vermieden werden, “, sagt er. Für den Bearbeitungsvorgang setzt Herbst einen hochmodernen handelsüblichen, jedoch für diese Anwendung modifizierten Femtosekundenlaser ein. Solche Systeme erzeugen Lichtpulse kürzer als eine Millionstel Millionstel Sekunde.
Herbst prognostiziert für seine Technologie ein enormes wirtschaftliches Potenzial. „In der Medizintechnik können damit nur Tausendstel Millimeter starke Kanülen und Kanäle erzeugt, in mikroelektronischen Schaltkreisen feinste Leiterbahnen bearbeitet werden.“ Die Methode eigne sich für die Fertigung hochpräziser Einspritzdüsen im Automobilbau, das Bohren kleinster Löcher sowie die Herstellung langlebiger Bauteile und -gruppen in verschiedenen Industriezweigen. „Denn mit Hilfe des kalten Materialabtrags können auf praktisch allen Werkstoffen auch Oberflächenstrukturen im Mikrometer- und Nanometerbereich erzeugt werden.“
An der Nanotechnik, einer zukunftsweisenden aber durchaus konträr diskutierten Spitzentechnologie, will Herbst partizipieren: „Solche Oberflächen mit dem Lotusblatt-Effekt – die nicht verschmutzen, weil keine Partikel darauf haften bleiben –, werden bisher mit der Schichtaufbau-Methode erzeugt. Beim kalten Materialabtrag hingegen werden keine Nanopartikel frei, die gesundheitsschädigend wirken können“, ist sich der Physiker sicher. Er sieht zusätzliche Vorteile seines Verfahrens deshalb beispielsweise bei der Fertigung optoelektronischer Bauelemente, chemischer Katalysatoren sowie bei der Herstellung von Mikrobrennstoffzellen und verschleiß- und reibungsarmen Verbrennungsmotorteilen. „Wenn es sein muss, können wir darüber hinaus mehr als 100 mindestens drei Millimeter lange Kanäle in den Querschnitt eines Haares bohren.“
Herbst, der Unterstützung in einer Berliner Universität gefunden hat, räumt die eher skeptische Haltung anderer Fachkollegen gegenüber dem Verfahren ein. „Die offizielle Lehrmeinung in der Physik beinhaltet aber auch die Tatsache, dass sich alles in Bewegung befindet.“ Für Auftraggeber aus der Mikroelektronik und der Medizintechnik hat er inzwischen spezielle Bauteile in Kleinserie gelasert „und damit die Technologie in der Praxis untersetzt“.
Noch in diesem Frühjahr soll die neue Firma die Arbeit aufnehmen. „Darum habe ich zwei Jahre hartnäckig gekämpft; keine verlorene, sondern eine lehrreiche Zeit – verbunden auch mit wachsender Ungeduld“, sagt der gelernte Hochfrequenz-techniker. Der Geschäftsplan des neuen Unternehmen sieht vor, bis 2006 rund 30 Arbeitsplätze in Adlershof zu schaffen.
Kontakt:
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