Ausgezeichnete Ideen aus dem CHIC
Die Deep Tech Stars 2021 aus dem CHIC: Nostos Genomics und VISSEIRO
Sie helfen mit künstlicher Intelligenz (KI) bei der Analyse von genetischen Mutationen, damit Ärzte seltene Krankheiten schneller und zuverlässiger diagnostizieren können. Und sie überwachen Vitaldaten von Patienten, wenn diese relaxed im Sessel chillen. Für ihre Ideen und deren weit gediehene Umsetzung haben die CHIC-Startups Nostos Genomics und VISSEIRO jüngst den Deep Tech Awards 2021 erhalten.
Erkranken sie an einer der schätzungsweise 7.000 seltenen Krankheiten, erdulden Patientinnen und Patienten im Schnitt eine siebenjährige Odyssee bis zur richtigen Diagnose. Betroffen sind laut Studien zwischen drei und sechs Prozent der Weltbevölkerung.
Viele Betroffene hegen begründete Hoffnung auf den medizinischen Fortschritt. Denn gut vier Fünftel der seltenen Krankheiten sind genetisch bedingt, und es ist heute keine große Sache mehr, DNA aus einer Blutprobe auszulesen. Geht es nach den Plänen von Nostos Genomics, wird auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) bald ins medizinische Standardrepertoire eingehen, um unter den typischerweise rund vier Millionen Mutationen in der menschlichen DNA jene Handvoll aufzuspüren, die für die Krankheit ursächlich ist. Die KI kontextualisiert die Mutationen dafür jeweils mit individuellen klinischen, biologischen und molekularen Daten der Betroffenen. Der hochkomplexe Prozess dauert nur wenige Minuten und benennt nicht nur die verdächtigen Mutationen, sondern legt zudem offen, wie und mit welchen Priorisierungen die Algorithmen die Auswahl getroffen haben.
Standort Berlin lockt High Potentials
Indem es die KI mit einer fortlaufend aktualisierten Wissensbasis hinterlegt, erreicht das Team von Nostos Genomics eine weit höhere Trefferquote als die bisher verbreitete Klassifizierung von Sequenzvarianten anhand des Regelwerks des American College for Medical Genetics and Genomics (ACMG). Das internationale, interdisziplinäre Team ist im CHIC auf über ein Dutzend Beschäftigte mit Schwerpunkten in Medizin, Humangenetik, KI, Datenanalyse und Software gewachsen. Ein Fachbeirat aus renommierten Forscherinnen und Forschern der Universitäten Washington, St. Gallen, Maastricht und Berlin steht dem Team zur Seite. Außerdem sind die Berliner mit internationalen Partnern wie Genomics England oder Genomenon vernetzt. Auf Vernetzung setzt Nostos Genomics laut Mitgründer und CEO David Gorgan auch in Berlins KI-Szene. Der Standort sei für die eigenen Wachstumspläne ein wichtiger Faktor. Denn Berlin sei einer der bedeutendsten KI-Standorte in Europa, biete dank der vielen Hochschulen Zugang zu Talenten – und nicht zuletzt sei die Stadt so attraktiv, dass Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Ausland gerne hierherkämen.
Deep Tech Award 2021: Gleich zwei CHIC-Teams siegreich
Befreundete KI-Gründer gaben Gorgan und Mitgründerin Rocío Acuña Hidalgo auch den Tipp, sich für den Deep Tech Awards 2021 zu bewerben. Das taten sie – und setzten sich durch. Ihr Start-up ist einer der fünf Preisträger des von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe ausgelobten, mit 50.000 Euro dotierten Awards. Während sich Nostos Genomics den Award in der Kategorie KI sichern konnte, ist die ebenfalls im CHIC beheimatete VISSEIRO GmbH der diesjährige Preisträger der Kategorie Social-/Sustainable Tech.
Das Team um Mitgründer und Geschäftsführer Pirmin Kelbel nimmt sich der Problematik an, dass pflegende Angehörige, Pflegeeinrichtungen und Pflegedienste den Gesundheitsstatus der betreuten Personen nicht jederzeit im Blick behalten können. Die Gründer haben dafür eine ebenso pfiffige wie einfache Idee: Sie messen Vitalparameter wie die Herz- und Atemfrequenz oder Bewegungen der Betreuten, während diese bequem im Sessel sitzen. Dafür haben sie ein Sitzkissen entwickelt, das eine flexible, in viskoelastisches Gel eingebettete Sensorik enthält. Alternativ ist die sensible, feuchtigkeitsgeschützte Sensorik direkt in Sitzmöbel integrierbar.
Smartes Sitzenbleiben
Der Grundgedanke des Spin-offs der Technischen Universität Berlin ist es, dass Technik sich in Alltagsabläufe fügen muss, um genutzt zu werden. „Der Fachbegriff dafür ist Adhärenz“, sagt Kelbel. Allzu oft finde Technik für das Monitoring von Vitalparametern bei Pflegenden und Gepflegten keine Akzeptanz, weil die Anwendung zu umständlich sei. „In vielen Fällen werden Lösungen aus anderen Bereichen an die Pflege adaptiert, ohne dabei genug auf die Bedürfnisse der Pflegenden und Gepflegten zu achten“, erklärt er. Mit Gründungspartner Janek Jurasch hat Kelbel vor drei Jahren einen anderen Ansatz verfolgt. Die studierten Medizintechniker haben gezielt nach Lösungen gesucht, die sich an der Lebensrealität alter, gelähmter und anderweitig pflegebedürftiger Menschen orientiert. Was sie alle gemeinsam haben, ist, dass sich ihr Alltag vorwiegend im Sitzen abspielt. Daher die Idee mit dem Kissen.
In drei von vier Fällen übernehmen Angehörige die Pflege. Nebenher müssen sie meist ihren Alltag bewältigen, können also nicht ständig in der Nähe der Gepflegten sein. Ihnen bringt das Sensorkissen Sicherheit. Denn anhand der aufgezeichneten, per Smartphone visualisierbaren Vitalparameter sehen sie, ob die Person im Sessel sitzt, und erkennen anhand der Herz-, Atem- und Muskelaktivität, ob es ihr gut geht. „Das Gel überträgt die jeweiligen Frequenzen sehr gut zur Sensorik“, erklärt Kelbel. Das hätten Tests in Pflegeeinrichtungen und bei privaten Nutzern gezeigt. Die Messdaten sind so genau, dass sie durchaus als Langzeit-EKG nutzbar sind. Um sie mit den Behandelnden teilen zu können, ist eine entsprechende Funktion in die App integriert.
Beim Vertrieb setzt das Team in Pflegeheimen und auf einer Online-Plattform an. Auch sucht es Kontakt zu Sitzmöbelproduzenten, die die Sensorik in ihre Produkte integrieren wollen. Das Start-up übernimmt Entwicklung, Design und Softwareentwicklung für die smarten Kissen, die sie extern fertigen lassen. Im nächsten Schritt geht es darum, ihre Lösung im In- und Ausland zu etablieren. „Die Problematik, die wir adressieren, ist weltweit dieselbe“, sagt Kelbel. Daher treibe VISSEIRO mithilfe von Business Angels die schnelle Internationalisierung voran. Dafür sei die zentrale Lage des CHIC in direkter Nähe zu ihrem früheren TU-Lehrstuhl hilfreich. Denn das bereits auf zehn Köpfe gewachsene Team kann Input der Hochschule gut gebrauchen – ideell wie personell.
Von Peter Trechow für CHIC!
Infos zur Teilnahme am Deep Tech Award 2022 gibt es hier
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