BESTes für den Nachwuchs
HU-Naturwissenschaftler auf neuen Wegen in der Ausbildung
Hendrik Vita ist begeistert. Der junge Physikstudent ist einer der ersten, der ab dem Sommersemester die Beamline for Education and Scientific Training (BEST) beim Teilchenbeschleuniger Bessy nutzen wird. Vita ist Diplomand an der Humboldt-Universität (HU). „Für mein Diplomarbeitsthema auf dem Gebiet Photoemission für Hochtemperatursupraleiter werde ich Untersuchungen mit Synchrotronstrahlung durchführen“, erklärt er. Synchrotronstrahlung ermöglicht es, den für das menschliche Auge unsichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums zu nutzen. Sie entsteht, wenn sich leichte geladene Teilchen, wie z. B. Elektronen, mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen und von einem Magneten abgelenkt werden. Vita will damit Energie und Impuls der Elektronen im Festkörper untersuchen, um eine Theorie zu entwickeln, die den Mechanismus von Supraleitern erklärt und Vorhersagen gestattet.
Experimentieren bei Bessy
Neugierig gemacht auf die Forschung mit Synchrotronstrahlung haben ihn Professor Recardo Manzke und Dr. Christoph Janowitz. Die beiden halten nicht nur Vorlesungen darüber, sondern Manzkes Arbeitsgruppe am Institut für Physik der HU hatte in Zusammenarbeit mit der Bessy GmbH im letzten Herbst das 35 Meter lange Strahlrohr, den Monochromator und zwei Photoemissions-Experimentierstationen aufgebaut. Nachwuchswissenschaftler und Studierende der Physik, aber auch der Chemie und Biologie sollen so in das Experimentieren mit Synchrotronstrahlung eingeführt und weiterqualifiziert werden. „Hier können junge Studierende an einem technologisch hoch modernem Großforschungsgerät „rumspielen“, ohne ein Paper schreiben zu müssen.“ so Manzke. Gemeinsam mit Bessy-Geschäftsführer Wolfgang Eberhardt ist er Initiator des neuen Ausbildungsangebotes der HU. Er kenne kein anderes Beispiel in Deutschland, „bei dem so junge Menschen bereits so frühzeitig an so modernes Equipment herangeführt werden.“
100 Prozent Strahlzeit für Studierende
Synchrotronstrahlung gewinnt immer mehr an Bedeutung und wird in unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen wie z. B. Atomphysik, Festkörperphysik, Chemie oder Lithografie eingesetzt. Die Messzeiten bei Bessy sind daher stark nachgefragt, „gute Forschergruppen auf internationalem Niveau bekommen normalerweise nur zwei Wochen Strahlzeit im Jahr“, so Manzke. Eine derart limitierte Messzeit verlangt absolut professionelles Arbeiten, Nachwuchskräfte bleiben darum zunehmend auf der Strecke. Die BEST-Beamline dagegen steht während der Vorlesungszeit ausschließlich für die Ausbildung der Studierenden der HU zur Verfügung. Während der vorlesungsfreien Zeit teilt sich die Messzeit: dann verbleiben 50 Prozent für die Forschung der HU und die andere Hälfte steht für externe Nutzer bereit.
Annäherung an die Theoriewerte
Vor zirka sechs Jahren begannen die Planungen für das BEST-Projekt. Jetzt ist BEST in der riesigen Speicherringhalle von Bessy gleich neben der BUS-Beamline (Berliner Universitätsverbund Synchrotronstrahlung) aufgebaut. Auf den ersten Blick sieht man einen fünf Meter hohen Monochromator, der über ein dickes Strahlrohr– die so genannte Beamline – an den Synchrotronring angeschlossen ist und eine der beiden Experimentierstationen. Die zweite steht gegenwärtig noch im Institut für Physik. Momentan läuft die Phase der Inbetriebnahme von BEST, d. h. die Güte der Apparatur wird von Qualifikanten oder Studierenden höherer Semester peu á peu verbessert. „Teilweise weichen die gemessenen Ergebnisse noch um den Faktor 2 von den vorher theoretisch errechneten und simulierten Werten ab“, erklärt Manzke. Er ist zuversichtlich, dass diese Anfangsschwierigkeiten bis zum Sommer gelöst sein werden.
Die Grundfinanzierung für die Beamline und den Monochromator erfolgte über das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die zwei Experimentierstationen wurden über HU-Mittel finanziert und die Kosten für Wartung und Reparaturen übernimmt die Bessy GmbH.
Zeit und Ausdauer gefragt
Für die nötigen Messungen braucht es Zeit und Ausdauer. Deshalb haben die Physiker, anders als andere Naturwissenschaftler, statt eines zwei Semester Zeit, um ihre Diplomarbeit zu schreiben. Vita machte sich mit der Synchrotronstrahlungsquelle Bessy bereits im vergangenen Jahr vertraut, als er ein mehrwöchiges Praktikum dort absolvierte. „Am Anfang ist man natürlich vorsichtig, aber durch die Vorlesungen von Prof. Manzke war ich gut vorbereitet“, erinnert er sich. Von großem Vorteil ist auch, dass Bessy fußläufig vom HU-Physikinstitut entfernt ist. Vitas Wunsch für die Diplomphase ist: „Eine gute Messung hinzubekommen und lange genug messen zu können, damit die statistischen Abweichungen gering sind.“