Denkstube Berlin: Hauptstadt für die Wissenschaft 2010
300 Jahre Charité, 300 Jahre Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften und 200 Jahre Humboldt-Universität: 2010 ist ein Jahr der Jubiläen bedeutender Wissenschaftsinstitutionen. Mit einem Themenjahr feiert Berlin die runden Geburtstage – und fragt gleichzeitig nach der Bedeutung der Wissenschaften in der heutigen Zeit.
Wo lehrten die Sprachwissenschaftler und Märchensammler Jacob und Wilhelm Grimm? Wo erfand der Physiker Hermann von Helmholtz den Augenspiegel? Wo entdeckte der Mikrobiologe Robert Koch den Erreger der Tuberkulose? Wo vollendete Albert Einstein die Relativitätstheorie? Und wo entwickelte Konrad Zuse den ersten Computer? Die Antwort auf diese Fragen lautet immer gleich: in Berlin.
Dass Berlin sowohl für Geistes- als auch für Naturwissenschaftler so attraktiv war und ist, hängt mit dem dichten Netz herausragender Wissenschaftsinstitutionen zusammen, das über Jahrhunderte hinweg in der Stadt geknüpft wurde. Der Zufall will es, dass gleich fünf renommierte Einrichtungen in diesem oder im nächsten Jahr runden Geburtstag feiern: die Staatsbibliothek, die Charité, die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Humboldt-Universität und die Max-Planck-Gesellschaft. Das nimmt das Land Berlin zum Anlass, mit dem Themenjahr "Berlin – Hauptstadt für die Wissenschaft 2010" auf die Geschichte dieser Institutionen zurückzublicken und ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft zu beleuchten.
Geburtstunde im Jahr 1710
Das vielleicht entscheidende Jahr für die Entwicklung dieser vielfältigen Wissenschaftslandschaft war 1710. Damals erließ Friedrich I., der sich erst neun Jahre zuvor selbst zum preußischen König gekrönt hatte, das Statut der vom Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz initiierten Kurfürstlich-Brandenburgischen Sozietät der Wissenschaften. Die Vereinigung, die heute unter dem Namen Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften wirkt und ihren Sitz am Gendarmenmarkt hat, zählte nebst anderen Gelehrten die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt, den Theologen Friedrich Schleiermacher und den Arzt Christoph Wilhelm Hufeland zu ihren Mitgliedern.
Ebenfalls 1710 ließ König Friedrich I. vor den Toren der Stadt ein Pesthaus errichten. Aus dem bescheidenen Krankenhaus, das seit 1727 den Namen Charité trägt, entwickelte sich eine der größten Universitätskliniken Europas. Namen wie Rudolf Virchow und Ferdinand Sauerbruch sind mit der Charité verbunden, zu der heute über hundert Institute und Kliniken gehören. "Vor 300 Jahren", sagt deshalb Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, "begann ein rasanter Aufstieg, der Berlin zu einer der innovativsten Metropolen der Welt machte."
29 Nobelpreisträger aus der HU
Einen weiteren entscheidenden Impuls für die Wissenschaftsstadt Berlin gaben die preußischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts: 1810 wurde auf Anregung von Wilhelm von Humboldt die Berliner Universität gegründet. Bald schon galt ein Ruf an die Friedrich-Wilhelms-Universität als Krönung einer jeden Professorenlaufbahn. Bis heute hat die Hochschule, die seit 1949 Humboldt-Universität heißt, nicht weniger als 29 Nobelpreisträger unterschiedlichster Disziplinen hervorgebracht.
Eng verbunden mit dem Aufstieg der Universität war die Entwicklung der Staatsbibliothek, die 2011 ihren 350. Geburtstag feiert. Sie geht zurück auf die 1661 von Kurfürst Friedrich Wilhelm gegründete "Churfürstliche Bibliothek zu Cölln an der Spree". Aus der Privatbibliothek, die 1688 lediglich 20.600 Bücher zählte, wurde bis heute eine der führenden wissenschaftlichen Bibliotheken der Welt mit gut 10,7 Millionen Bänden. Ebenfalls 2011 begeht die Max-Planck-Gesellschaft mit ihren naturwissenschaftlich ausgerichteten außeruniversitären Forschungseinrichtungen ein Jubiläum: Ihre Vorläuferinstitution, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, wurde 1911 ins Leben gerufen.
Ausstellung "WeltWissen"
An die Geschichte der fünf Einrichtungen erinnert das von der landeseigenen Kulturprojekte Berlin GmbH veranstaltete Wissenschaftsjahr mit einer Fülle an Vorträgen, Symposien und Ausstellungen. Zentrale Veranstaltung ist die Ausstellung "WeltWissen", die im September auf einer Fläche von 3.500 Quadratmetern im Martin-Gropius-Bau eröffnet wird. "Anhand konkreter und höchst lebendiger Geschichten und Biografien von Objekten, Wissenschaftlern und Institutionen", stellt Ausstellungsleiter Jochen Hennig in Aussicht, "wollen wir spannende Einblicke in den wissenschaftlichen Betrieb geben." Separate Ausstellungen widmen sich zudem der Geschichte der Charité und der Humboldt-Universität.
In den Veranstaltungsreigen eingebunden ist auch Adlershof – zum einen durch die im Wissenschaftspark angesiedelten naturwissenschaftlichen Institute der Humboldt-Universität, zum anderen durch die Lange Nacht der Wissenschaften am 5. Juni. Darüber hinaus laden die Verantwortlichen des Ausstellungsjahrs alle wissenschaftlichen Institutionen der Region Berlin ein, sich am Programm zu beteiligen; bereits jetzt sind über 150 Veranstaltungen in der Datenbank aufgeführt.
Bei alledem will das Themenjahr nicht nur zurück blicken. "Wissenschaft ist ein eigenständiger Wirtschaftsfaktor für die Region", sagt Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner. Nach Angaben der Marketinggesellschaft Berlin Partner GmbH lehren, forschen, studieren und arbeiten über 200.000 Menschen in der Berliner Wissenschaftsszene. Und dass sich aus der Wissenschaft auch zahlreiche innovative Unternehmen entwickeln, führt gerade der Standort Adlershof exemplarisch vor Augen. Wissenschaft trägt deshalb nach Überzeugung von Senator Zöllner entscheidend dazu bei, dass eine Vision Realität wird – nämlich die Vision, "dass diese großartige, brodelnde, unfertige Stadt Berlin Motor einer gesellschaftlichen, ökonomischen und geistigen Entwicklung in der Welt des 21. Jahrhunderts wird".
Christian Hunziker
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Höhepunkte des Berliner Wissenschaftsjahrs
Ausstellung "Geschichte der Charité"
(Medizinhistorisches Museum der Charité) 26.3.2010 bis 27.2.2011
Ausstellung "200 Jahre Universität Unter den Linden"
(Jacob- und Wilhelm-Grimm-Zentrum) 16.4.2010 bis 15.8.2010
Wissenschaftstage Südwest 16.5.2010 bis 5.6.2010
Lange Nacht der Wissenschaften 5.6.2010
Ausstellung "WeltWissen"
(Martin-Gropius-Bau) 24.9.2010 bis 9.1.2011
Jubiläumswoche der fünf beteiligten
Institutionen 6.10.2010 bis 15.10.2010
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Link: www.wissenschaftberlin2010.de