Der Herr der Zupfinstrumente
Wie Filmkomponist Moritz Denis Ideen für seine Musik findet
Warum wurde bei den Montagsdemonstrationen 1989 in Leipzig nicht geschossen? Antwort auf diese weltbewegende Frage gibt eine neue Verwechslungskomödie um Erich Honecker und einen Doppelgänger, die im März 2017 in die Kinos kommen wird. Die Filmmusik für „Vorwärts immer“ stammt vom Adlershofer Komponistenduo Moritz Denis und Eike Hosenfeld.
Gerade ist Moritz Denis von Einspielungen mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg in dessen Studio zurückgekehrt. Schon immer hat der 39-Jährige Musik gemacht, klassische und Jazzgitarre in Big Bands, Punkrockgruppen oder Free-Jazz-Ensembles gespielt. „Freizeit“, erinnert sich Denis, „das war Musik.“ Trotzdem begann er eines Tages, Informatik zu studieren. Zwei Semester dauerte der Exkurs, dann ging es zurück zur Musik.
Im Dezember 2001 führt ihn die musikalische Arbeit an einem Kinowerbespot für den Panasonic-Konzern mit Eike Hosenfeld zusammen. Seitdem arbeiten beide als Komponistenteam und komponieren Musik zu Dokumentationen, für Werbe-, Fernseh- und Kinofilme, wie „Berlin am Meer“, „Hördur“ – der erste Langfilm des Regisseurs Ekrem Ergün –, den „Tatort“ oder die Fernsehserien „Löwenzahn“, „Terra X“ und „Sonne, Siesta und Saudade“. Berührungsängste mit musikalischen Genres kennen Denis und Hosenfeld nicht. Im eigenen Studio spielen sie Instrumente wie Gitarre, Bass, Banjo, Trompete, Flügel, Akkordeon, Mandoline, Flöte, Schlagzeug und Percussion selbst ein. Nur die Geigen fehlen. „Geige spielen“, erklärt Denis, „können wir beide nicht.“ Was sie selbst nicht spielen, wird mit befreundeten Instrumentalisten aufgenommen – oder am Computer produziert.
Denis’ Leidenschaft gilt den „Zupfinstrumenten“. Liebevoll zeigt er seine Rockabilly-Gitarre, doch fast noch begeisterter ist er von der Oud, der arabischen Laute. Ein traditionelles, hölzernes Musikinstrument, „bauchig und mit meditativem Klang“, schwärmt er.
Wie Denis die arabische Laute spielt, ist zu hören im mit Grand-Jury- und Publikumspreis des Sundance Filmfestivals honorierten Film „Sonita“. Die gleichnamige Titelheldin der Dokumentation ist eine 18 Jahre alte Afghanin, die im Iran von einer Karriere als Rapperin träumt, um dem Vorhaben ihrer Familie zu entgehen, sie für 9.000 Dollar an einen unbekannten Ehemann zu verkaufen.
Sonitas Rap und die traditionelle Oud, gerade aus solchen Gegensätzen ergibt sich für Denis Spannung und Stimmung in der Filmmusik. Oft, erklärt er, seien die Ideen für Filmmusiken oder die Entscheidungen für Instrumente reines Bauchgefühl. Man dürfe sich nicht scheuen, Sachen auch wieder über Bord zu werfen, immer wieder Neues zu probieren.
Erste Ideen für seine Musik findet Denis schon beim Lesen des Drehbuchs. Genre, Figuren und Dramaturgie eines Films geben vieles für die Musik vor. Folgt man den Figuren, wählt man ein übergeordnetes Thema, vertont man Dialoge? Der Einsatz von Musik kann Emotionen vorgeben oder verstärken. „Musik entlarvt Bilder, wenn sie nicht passt.“
Gefragt nach seiner Lieblingsfilmmusik lässt er sich nur temporär festlegen: „Momentan, ‚It follows’. Weil die Musik des Amerikaners Richard Vreeland die Welt der jugendlichen Hauptfiguren des Films wunderbar unterstützt“, findet Denis.
Von Rico Bigelmann für Adlershof Journal