Der Realität auf der Spur
Virtuell und in 3D
Wie bekommen wir die reale Welt in den Rechner? Das ist die zentrale Aufgabe von 3D-Forschung und Entwicklung. Um diesem Ziel einen Schritt näher zu kommen, veranstaltet die Gesellschaft für angewandte Informatik (GFaI e.V.) jährlich den Workshop 3D-NordOst.
Seit zehn Jahren treffen sich Forscher und Firmen aus ganz Deutschland zu dem 3D-Workshop in Adlershof. Sie präsentieren aktuelle Forschungsergebnisse und Anwendungen zur Erfassung, Modellierung, Verarbeitung und Auswertung von 3D-Daten. Im Vordergrund stehen folgende Fragen: Wie können Objekte oder Menschen detailgetreu vermessen und modelliert werden? Wie kann 3D bei realen Problemen im Alltag helfen? Wie kann mittels 3D die Produktion schneller und billiger werden? Haupteinsatzgebiete von 3D-Anwendungen waren bisher Medizin und Industrie, doch auch in den Bereichen Sicherheitstechnik und Qualitätssicherung winkt eine große Zukunft.
3D für mehr Sicherheit auf der Strasse
Viele Workshop-Beiträge befassten sich mit den theoretischen Hintergründen der Vermessung (3D Scanning) von Objekten. Aber auch praktische Anwendungen wurden vorgestellt, wie beispielsweise eine Methode zur Messung der Reifenprofiltiefe. Täglich passieren durchschnittlich vier Unfälle, die auf das Konto von abgefahrenen Reifen gehen. Die Firmen Chronos Vision GmbH und ProContour GmbH entwickelten deshalb ein Verfahren zur Bestimmung der Profiltiefe im fließenden Verkehr. Das patentierte Messsystem, bestehend aus einem Laser und einer Kamera, wird in die Strasse eingebaut. Fährt ein Fahrzeug über die zehn Zentimeter breite Öffnung, tastet der Laser den Reifen ab. Bei einer Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde bleiben dafür genau 2,4 Millisekunden Zeit. Ein besonderer Chip in der Kamera verarbeitet die Daten und berechnet, ob die Profiltiefe den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Profilsünder können so schnell aus dem Verkehr gezogen werden. Die Testphase ist abgeschlossen. Nach erfolgreicher Zertifizierung wird der „Reifenblitzer“ voraussichtlich ab Herbst 2008 einsatzbereit sein.
Virtuelle Schuhe in der Produktion
Wie wir mit Hilfe von Virtual Prototyping schneller zu neuen Schuhen kommen, zeigten Wissenschaftler der TU-Chemnitz. Im Modebereich kommt es vor allem darauf an, schnell auf Trends zu reagieren. Vom ersten Entwurf bis zur Produktion dauert es in der Schuhindustrie aber mindestens 5 Monate. Diese Zeit könnte durch den Einsatz von 3D erheblich verkürzt werden. Um ein neues Design zu beurteilen, wird bisher aus den Konstruktionsdaten ein echter Musterschuh gebaut. Beim Virtual Prototyping werden Entwürfe durch virtuelle 3D-Modelle repräsentiert. In der vorgestellten Anwendung wird dieser Prototyp mit einer realen Schuhattrappe gesteuert, deren Bewegungen auf den 3D-Musterschuh übertragen werden. Zur Optimierung des Entwurfs kann der Designer das Material verändern sowie Nähte und Accessoires hinzufügen. An dem Forschungsprojekt sind auch die GFaI e.V. und das Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens e. V. beteiligt.
Mit 3D in den Weltraum
Höhepunkt des Workshops war die Abendveranstaltung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Vorgestellt wurde die Stereokamera HRSC, die im Rahmen des Projekts Mars Express Bilder von der Marsoberfläche liefert. Seit 2003 kreist die in Berlin entwickelte Kamera um den Planeten. Nach über 4.000 Marsumrundungen hat sie inzwischen eine Fläche größer als Nord- und Südamerika detailgenau fotografiert. Aus den hochaufgelösten 3D-Farbaufnahmen entsteht ein digitales, dreidimensionales Geländemodell der Marsoberfläche. Im Anschluss an den Vortrag konnten die Workshopteilnehmer einen spektakulären 3D Marsflug durch das Valles Marineris erleben. Der virtuelle Spaziergang durch das weitläufige Grabensystem offenbarte die schroffe Schönheit des roten Planeten. Die Experten des 10. 3D-NordOst Workshops sind sich einig: Die Abbildung der Realität im Computer wird in der Tat immer realistischer.
Anne v. Fircks
Links zum Thema:
www.procontour.com/10.0.html?&L=0