Die Raumsonde Cassini-Huygens erkundet den Saturn
Erfolgsstory begann vor zehn Jahren
Am 15. Oktober 1997 begann eine der aufregendsten Missionen zur Erforschung des Sonnensystems: Am Cape Canaveral hob eine Titan 4B-Trägerrakete mit einer omnibusgroßen, fast sieben Meter hohen und mehr als fünfeinhalb Tonnen schweren Fracht ab und entschwand in den Nachthimmel über Florida: Wenig später beschleunigte eine Centaur-Oberstufe die Raumsonde Cassini-Huygens und brachte sie auf ihren Weg zum Saturn, dem zweitgrößten Planeten des Sonnensystems - mit seinen markanten Ringen und zahlreichen Eismonden ein Sonnensystem en miniature. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist an der Mission Cassini-Huygens technisch und wissenschaftlich beteiligt.
Nach fast sieben Jahren schwenkte das amerikanisch-europäische Sondenpaar am 1. Juli 2004 in eine Umlaufbahn um den Saturn ein. "Was Cassini und Huygens seither an Bildern und Messdaten zur Erde gefunkt haben, ist schlicht phantastisch", bewertet Prof. Dr. Ralf Jaumann vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung den Erfolg der Mission: "Die Sonde hat auf vielfältige Weise unser Bild von den Körpern im äußeren Sonnensystem geradezu revolutioniert", sagt Jaumann.
Bereits in den 1980er-Jahren hatte die amerikanische Weltraumbehörde NASA nach dem großen Erfolg der beiden Voyager-Vorbeiflüge am Saturn mit den Planungen weiterer Missionen begonnen. Der Nachfolger Cassini-Huygens ist das bislang vielseitigste Unternehmen zur Erforschung des Sonnensystems. Wegen des großartigen Verlaufs wird die NASA demnächst die Fortsetzung der Mission über das Jahr 2008 hinaus bekannt geben. Die Vorbereitungen für zahlreiche weitere, nahe Vorbeiflüge an den Eismonden bis ins Jahr 2010 laufen bereits auf Hochtouren. Doch auch für die Zeit danach existieren schon Pläne für eine Fortführung.
Das DLR ist mit mehreren Wissenschaftlern an diesem Projekt beteiligt, unter anderem an zwei Experimenten mit Spektrometern. Auch wirkte das DLR maßgeblich an der Entwicklung und dem Bau eines Instruments der Max-Planck-Gesellschaft zur Messung von kosmischem Staub mit, neben einem britischen Magnetometer das zweite, nichtamerikanische Experiment. Außerdem ist das DLR für die Planung von Aufnahmen während der Nahvorbeiflüge an vier Eismonden verantwortlich. Die Raumfahrt-Agentur des DLR in Bonn-Oberkassel fördert ferner die an der Mission beteiligten Forscher an deutschen Universitäten und Max-Planck-Instituten.
Den Forschern boten sich durch die Cassini-Experimente am Saturn mit seinen unverwechselbaren Ringen und den inzwischen 60 bekannten Monden tiefe Einblicke in eine bizarre, fast anderthalb Milliarden Kilometer von der Sonne entfernte Welt aus Gas, Eis und Staub. Die Wissenschaftler verstehen nun die Dynamik der Saturnatmosphäre und deren Wolkenbänder, die mit Geschwindigkeiten von mehr als 500 Kilometern pro Stunde um den Planeten rasen, erheblich besser. In der Gashülle entladen sich Gewitterstürme mit vieltausendfach höherer Energie als auf der Erde. Wie in den hohen nördlichen und südlichen Breiten unseres Planeten gibt es auch auf Saturn Polarlichter - allerdings dauern diese nicht nur wenige Minuten, sondern gleich mehrere Tage.
Die vielgliedrigen Ringe - von Lücken durchsetzt, die von einer ganzen Schar nur wenige Kilometer großer Mondwinzlinge erzeugt werden - konnten in all ihren Details und mit zum Teil verblüffenden Unregelmäßigkeiten von hochauflösenden Kameras und Spektrometern aufgenommen werden. Milliarden wirbelnder Eis- und Gesteinspartikel umkreisen den Planeten in der Äquatorebene in den dünnen, kaum hundert Meter mächtigen Ringen mit hoher Geschwindigkeit, wobei sich Wellen, Zusammenballungen und andere Formen bilden. Noch kennen die Wissenschaftler allerdings weder das Alter der Ringe noch die Ursache ihrer Entstehung: Doch die Cassini-Mission lieferte zumindest einige Teile zur Lösung des Puzzles.
Durch gezielte Beobachtungen des Eismondes Enceladus weiß man inzwischen, dass dieser nur 500 Kilometer große Trabant durch Gezeitenreibungskräfte in seinem Innern aufgeheizt wird. In der Südpolregion sind so genannte "Kryovulkane" aktiv, die Dampffontänen viele hundert Kilometer weit ins All schleudern, wo die wieder gefrorenen Eispartikel schließlich von den äußeren Ringen des Saturn eingefangen werden und fortan den Planeten umrunden: Dies ist eine Form von Vulkanismus, wie sie zwar lange vermutet wurde, dank Cassini aber zum ersten Mal nachgewiesen werden konnte. "Das war ein großartiges, von mehreren Experimenten bestätigtes Ergebnis. Überhaupt können wir mit den unterschiedlichen Instrumenten viele Fragen zur Planetenwelt des äußeren Sonnensystems dank Cassini-Huygens wesentlich präziser beantworten", resümiert DLR-Forscher Jaumann.
Ein Team von Kartographen und Bilddatenspezialisten um Dr. Thomas Roatsch vom DLR-Institut für Planetenforschung bereitet die hochauflösenden Bilder des Solid-State Imaging-Kamerasystems (SSI) in für die NASA zu neuen, genaueren Kartenwerken der Eismonde auf. Dabei handelt es sich um eine Kooperation mit SSI-Teammitglied Professor Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin. Am detailreichsten gelang dies bislang mit einem globalen Kartensatz für den gegenwärtigen "Star" unter den Saturnmonden, für Enceladus. "Aber schon im kommenden Jahr werden wir die Karten an einigen Stellen deutlich verbessern können, wenn wird", erläutert Dr. Roatsch, "mit der Sonde nämlich in nur 23 Kilometern Höhe über die Eisfelder von Enceladus fliegen, werden Aufnahmen von nur wenigen Metern Bildauflösung entstehen."
Die Trabanten des Saturn, welch fremde Welten: aktive, die Oberfläche des Mondes erneuernde Vulkane auf Enceladus; auf dem gleichen Mond aber auch Milliarden von Jahren alte Eisoberflächen; ein von tektonischen Spannungen in der Eiskruste 100 Kilometer weit aufgerissener, zweitausend Kilometer langer und mehrere Kilometer tiefer tektonischer Graben namens Ithaca Chasma auf Tethys; einige hundert Meter tiefe Schluchten auch auf Dione, vermutlich durch mehrmalige Ausdehnung und Schrumpfung des Himmelskörpers verursacht - wobei sich vermutlich unterschiedliche Schichten wie Packeis übereinander schoben -; eine überraschende, geochemische und mineralogische Vielfalt auf der Oberfläche des kleinen Mondes Phoebe; die ganz ungewöhnlich gestaltete, von Kratern übersäte Kruste von Hyperion. Die Nahvorbeiflüge von Cassini an den Eismonden brachten zahlreiche Überraschungen zu Tage, die noch einer detaillierten wissenschaftlichen Interpretation harren.
Gleich mit zwei großen Rätseln sind die Wissenschaftler an Iapetus, dem drittgrößten Saturnmond konfrontiert: Zum einen zeigt dieser Eismond zwei völlig unterschiedlich ausgeprägte Hälften. Die Hemisphäre der entgegen der Bewegungsrichtung liegenden "Heckseite" und die Pole bestehen aus Eis und sind so hell wie Schnee, auf der Oberfläche der in Bewegungsrichtung weisenden Hemisphäre, der "Bugseite" bedecken Kohlenstoffverbindungen das Eis, sie ist daher schwarz wie Pech.
Schon seit der Voyager-Mission wird vermutet, dass dunkles Material vom Nachbarmond Phoebe die in Bewegungsrichtung zeigende Seite von Iapetus geschwärzt hat. Die Auswertung der im Dezember 2004 gewonnenen Bilddaten, erst kürzlich von DLR-Forscher Dr. Bernd Giese im Fachmagazin "Icarus" veröffentlicht, hat nun gezeigt, dass darüber hinaus auch Sublimationsprozesse - der Übergang vom festen in den gasförmigen Zustand - für das Verständnis der hell-dunkel Strukturen an der Oberfläche wesentlich sind. Ob diese Vorstellung richtig ist, wird die noch andauernde Auswertung der Bilddaten des nahen Iapetus-Vorbeiflugs vom September dieses Jahres zeigen. Dieser Vorbeiflug wurde von Mitarbeitern der Freien Universität Berlin und dem DLR in allen Details geplant.
Damit nicht genug: Entlang des Äquators von Iapetus ist ein Bergrücken zu sehen, der bis zu zehn Kilometer, an manchen Stellen wahrscheinlich bis zu 20 Kilometer hoch ist - ein "Ultra-Himalaya" aus staubbedecktem Eis. DLR-Forscher Giese beschäftigt sich seit Jahren mit der präzisen Vermessung dieses Phänomens. "Inzwischen können wir die Form dieses ungewöhnlichen Gebirgszuges ganz gut charakterisieren, aber wir wissen noch nicht genau", so der Physiker, "wie weit er sich entlang des ganzen Äquators erstreckt. Auch können wir noch nicht genau sagen, wie der Bergrücken entstanden ist. Auf jeden Fall ist die Struktur sehr alt und bildete sich möglicherweise schon wenige Millionen Jahre nach der Geburt des Mondes." Ob der Bergrücken nur durch einen tektonischen Vorgang entstanden ist oder ob auch vulkanische Prozesse beteiligt waren, ist weiterhin Gegenstand der Forschung.
Der autonome Flug der Atmosphärensonde Huygens am 14. Januar 2005 durch die Stickstoffatmosphäre des größten Saturnmondes, des Titan, und die anschließende Landung auf der minus 160 Grad Celsius kalten Eisoberfläche des Trabanten gelten als ein Meilenstein in der 50-jährigen Geschichte der Raumfahrt - Huygens war ein Beitrag der Europäischen Weltraumorganisation ESA zu diesem großen Forschungsprojekt. Es war die erste und zudem eine weiche Landung einer Sonde auf einem Körper des äußeren Sonnensystems.
Huygens fotografierte während des Abstiegs durch die Atmosphäre die Täler eines Gewässernetzes und an der Landestelle eine bizarre Landschaft aus gerundeten Eisblöcken auf einer Oberfläche aus gefrorenem Methan. Maßgeblich beteiligt an diesem Experiment ist das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Saturns größter Trabant ist vor allem wegen seiner dichten Gashülle für die Forschung von besonderem Interesse. Aufgrund der niedrigen Temperaturen im äußeren Planetensystem laufen die chemischen Reaktionen am Titan sehr viel langsamer ab als im inneren Sonnensystem, wo sich die Erde befindet.
Aufgrund der Messungen der Huygens-Sonde während ihres Abstiegflugs durch die Gashülle des Titans versprachen sich die Forscher Hinweise auf Vorgänge und Veränderungen in der frühen Erdatmosphäre; diese bestand ursprünglich aus Kohlendioxid. Erst durch das Leben, das vor drei bis vier Milliarden Jahren auf unserem Planeten entstand und sich weiter entwickelte, wandelte sich die irdische Uratmosphäre im Laufe der Zeit in eine Stickstoff-Sauerstoff-Gashülle um. Viele Details aus dieser Milliarden Jahre zurückliegenden Zeit auf der Erde liegen im Verborgenen - die Erforschung von Titan könnte mehr Licht ins Dunkel der Frühzeit der Erde bringen.
"Inzwischen haben wir auch einige handfeste Hinweise darauf, dass es aus den Wolken des Titans zumindest zeitweise regnet. Die Niederschläge werden dort allerdings nicht aus Wassertropfen gebildet, sondern aus Methan und Ethan", erklärt Professor Jaumann die Ergebnisse zahlreicher Beobachtungen des Infrarot-Spektrometers VIMS (Visible and Infrared Mapping Spectrometer), an dem er wissenschaftlich beteiligt ist. "Wir sehen auf der Oberfläche die Spuren von verästelten Tälern, in denen die Flüssigkeiten, dem Gefälle folgend, in die Niederungen flossen", so Jaumann weiter.
Das DLR ist auch am so genannten Ultra-Violet Imaging Spectrograph (UVIS) beteiligt, das bei den Untersuchungen der Titanatmosphäre eine wichtige Rolle spielt. Für das UVIS-Experiment wurden Wasserstoff-Deuterium-Absorptionszellen in Zusammenarbeit zwischen dem DLR, dem früheren Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau und dem Laboratory of Atmospheric and Space Physics (LASP) in Boulder (Colorado) konzipiert und gebaut. "Damit wollen wir das lokale interstellare Medium im Saturn-System untersuchen. Außerdem soll auch das Verhältnis zwischen Deuterium und Wasserstoff in den planetaren Exosphären von Saturn und Titan bestimmt werden", sagt DLR-Wissenschaftler Jaumann.
Die intensive Erforschung des Titans wäre auch das vorrangige Ziel einer zweiten Missionsverlängerung über das Jahr 2010 hinaus. Mehr als 250 Forscher aus 17 Nationen sind mit ihren Teams in Cassini und Huygens involviert. Deutschland ist zum einen über die Mitgliedschaft in der ESA an der Mission beteiligt, deren Hauptbeitrag Huygens etwa ein Viertel der Missionskosten von insgesamt gut zwei Milliarden US-Dollar ausmacht. Die italienische Weltraumorganisation ASI (Agenzia Spaziale Italiana) steuerte die Antenne bei. Zum anderen fördert die Raumfahrt-Agentur des DLR die deutschen wissenschaftlichen Beteiligungen am Projekt.
Der deutsche Hauptbeitrag zu den Experimenten auf dem Cassini-Orbiter besteht in der Bereitstellung des kosmischen Staubdetektors CDA (Cosmic Dust Analyzer). Aufgabe des Staubanalysators ist die simultane Untersuchung von Staub, also winzigen Partikel von der Größer weniger Moleküle bis hin zu millimetergroßen Teilchen aus Eis oder Silikaten. Dabei werden elektrische Ladung, Geschwindigkeit, Flugrichtung, Masse und chemische Zusammensetzung im interplanetaren Raum gemessen, besonders in der Nähe von Jupiter und Saturn.
Der Staubanalysator wurde unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Eberhard Grün am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg entwickelt und für die Mission vorbereitet. Derzeitiger "Principal Investigator" ist Dr. Ralf Srama vom selben Institut. Die mechanischen Bauteile des Instruments einschließlich eines Drehtisches, mit dem das Gerät unabhängig vom Raumfahrzeug auf erwartete Staubansammlungen ausgerichtet werden kann, wurden am DLR in Berlin-Adlershof unter der Leitung von Dr. Franz Lura entwickelt und gefertigt.
Schon während des Anflugs an den Saturn im Jahr 2004 wies der Staubsensor nach, dass auch dieser Planet Ströme schnellen nanoskopischen Staubs ausstößt. Erstaunlicherweise ist das Material dieser Stromteilchen ein Silikat, obwohl die Ringe und Monde des Saturns aus Wassereis bestehen, es also in Saturnnähe zu einer "dynamischen Selektion" von Eis- beziehungsweise Staubpartikeln kommen muss. Der Nachweis dieser Staubströme gelang mit dem sehr empfindlichen CDA-Instrument bereits in einer Saturndistanz von mehr als 50 Millionen Kilometern. Modellrechnungen zeigen, dass wenige Nanometer große elektrisch geladene Eis- und Silikatpartikel des Ringsystems durch das rotierende planetare Magnetfeld bis auf Geschwindigkeiten von 360.000 Kilometern pro Stunde beschleunigt werden können.
Das Hauptziel der CDA-Messungen ist die Erforschung der riesigen Staubringe des Saturns. So zeigte sich beispielsweise, dass Saturns E-Ring, der mit einem Durchmesser von etwa 300.000 Kilometern größte planetare Ring des Sonnensystems, viel ausgedehnter ist, als bisher angenommen wurde. Diese Entdeckung ist unvereinbar mit dem bisherigen Verständnis über die Entstehung und Entwicklung des riesigen Rings. Gemeinsam mit den Ringteilchen umkreisen zahlreiche Eismode den Saturn; diese bilden sowohl die Quellen, als auch manchmal die "Senken" von Ringteilchen, indem sie sich auf ihren Oberflächen ablagern. Der Eismond Enceladus war schon sehr früh als wichtigste Quelle des Rings identifiziert worden. Allerdings erlebten die Wissenschaftler eine große Überraschung, als sie während eines dichten Vorbeiflugs an diesem Mond einen gebündelten Strahl aus Staub und Gas nachwiesen, der aus Spalten in der Südpolregion des Mondes entweicht. Die CDA-Messungen stellen damit eine weitere Bestätigung der Existenz der Kryovulkane auf Enceladus dar.
Kontakt:
Eduard Müller
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Unternehmenskommunikation
Tel.: +49 2203 601-2805
Fax: +49 2203 601-3249
Prof. Dr. Ralf Jaumann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Planetenforschung, Planetengeologie
Tel.: +49 30 67055-400
Mobil: +49 170 5 62 19 65
Fax: +49 30 67055-402
Dr. Manfred Gaida
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Raumfahrt-Agentur, Extraterrestrik
Tel.: +49 228 447-417
Fax: +49 228 447-745
Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Institut für Planetenforschung, Institutsplanung und Zentrale Aufgaben
Tel.: +49 30 67055-215
Mobil: +49 175 1 64 17 37
Fax: +49 30 67055-402