Die Taktgeberin
Ricarda Kafka erkundet optische Oberflächen
Makellos ebenmäßig, dieser Glaszylinder. Auf den ersten Blick jedenfalls. Bis der zweite Blick auf den Monitor fällt, wo sich in bunten Farben eine zerklüftete Gebirgslandschaft abzeichnet. Fünf Mikrometer Höhenunterschied – für das Auge nicht wahrnehmbar. Im Laserlicht des Interferometers eine tiefe Schlucht. Als Präzisionslinse wäre dieses Stück Glas unbrauchbar. Interferometrie also.
Gefragt in der optischen Industrie
„Ich kann nichts anderes“, sagt Ricarda Kafka – „Kafka mit einem f!“ –, Geschäftsführerin der Firma TRIOPTICS Berlin GmbH. Laienhaft gesprochen, nutzt man ein Interferometer, um Oberflächen durch optische Wellen abzutasten. Ein fünf Millimeter dünner Laserstrahl wird durch Speziallinsen aufgefächert, auf einen Gegenstand projiziert und zurückgeworfen. Die Beschaffenheit des reflektierten Lichts gibt Auskunft über die Oberflächenstruktur des untersuchten Objekts. Gefragt ist die Technologie in der optischen Industrie. „Agfa, Kodak, Philips, sämtliche Kontaktlinsenhersteller zählen zu unseren Kunden“, sagt Kafka.
Ortsfest in einer Zeit voller Umbrüche
Sie selbst blickt demnächst auf ein Vierteljahrhundert mit der Interferometrie zurück. Zugleich ein Vierteljahrhundert in Adlershof, bemerkenswert ortsfest in einer Zeit voller Umbrüche und Neugründungen: „Ich habe schon viel Glück gehabt. Ich musste nur das Türschild wechseln. Ich habe mich in meinem ganzen Leben nur einmal beworben.“
Das war 1989. Im September kam Kafka – „In meiner Geburtsurkunde steht Karl-Marx-Stadt“ – nach fünf Jahren Physikstudium in Jena ans Zentralinstitut für Optik und Spektroskopie der Akademie der Wissenschaften der DDR. Damals schloss noch eine Mauer das Gelände zur Außenwelt ab. Wo heute Kaufland steht, war das Wachregiment der Staatssicherheit kaserniert, wenn auch nicht mehr lange. Am Tag nach dem Mauerfall ging die junge Physikerin wie üblich ins Institut. Nur auf dem Heimweg fiel ihr etwas auf: „Am S-Bahnhof Baumschulenweg Unmengen Menschen mit bunten Tüten.“
Als Ende 1991 die Akademie der Wissenschaften abgewickelt wurde, erlebte der Arbeitsbereich Optik eine Neugründung als selbstständiges Unternehmen mit 35 Beschäftigten. „Ich war dabei“, sagt Kafka. Hilfreich war die bereits in der Wendezeit angeknüpfte Geschäftsbeziehung zu dem Optikhersteller FISBA OPTIK in Sankt Gallen. Die Schweizer hatten das weltweit erste Interferometer im Kleinformat entwickelt. Die Software dafür kam aus Adlershof. Auch als das Unternehmen nach fünf Jahren in Konkurs ging, mochten die Schweizer auf ihre „Software-Truppe“ nicht verzichten. So wurde die Abteilung für Interferometrie als Tochterfirma der FISBA neu gegründet: „Da war ich wieder mit dabei.“ Seit 2003 sogar als Geschäftsführerin, eine Funktion, die sie behielt, als der Betrieb 2010 an die bei Hamburg ansässige Trioptics verkauft wurde.
Ein Leben für die Messtechnik? Nicht ganz: Zwei Stunden in der Woche verbringt die heute 48-Jährige zu Hause in Lichtenberg beim Tanztraining. „Modern Dance“ ist ihre andere Leidenschaft.
Von Winfried Dolderer für Adlershof Journal