Die Widerständige
Christine Kühnel setzt sich am Adlershofer Reiner Lemoine Institut (RLI) für eine Zukunft mit hundert Prozent erneuerbaren Energien ein
Gerade hat die Bundesregierung Geldmittel für den Klima- und Transformationsfond gekürzt. Das betrifft auch das Reiner Lemoine Institut (RLI). „Die Folgen sind dramatisch“, sagt Christine Kühnel, seit Januar Geschäftsführerin des Instituts. Aber sie sagt auch, „ich bin widerständig geprägt“. Schon ihre Eltern waren in der Antiatomkraftbewegung um Gorleben aktiv. Nachhaltige Energie, Umweltschutz – all das hat sie seit ihrer Kindheit geprägt und auf ihrem Bildungsweg und in ihrem beruflichen und gesellschaftlichen Engagement motiviert. „Wir brauchen eine klare Perspektive“, sagt sie, „die Energiewende kann ohne Forschung nicht erfolgreich sein“. Die Kürzungen kreierten große Verunsicherung, Anträge würden gestoppt – ein fatales Signal, auch für Forschende und Wissenschaftler:innen am RLI.
In Kiel hat Christine Kühnel Wirtschaftsingenieurwesen mit dem Schwerpunkt Elektrotechnik studiert. Anschließend promovierte sie an der Technischen Universität Berlin. Nach Stationen am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e. V. und im Projekt Forschungsforum Energiewende bei der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften sowie bei der Deutsche Energie-Agentur GmbH leitete sie seit 2019 die Administration des RLI, bevor sie dort Geschäftsführerin neben Kathrin Goldammer wurde. Zudem engagiert sie sich bei Hypatia, einem gemeinnützigen Verein, der den Austausch zwischen Frauen fördert, die in den Branchen erneuerbare Energien und Cleantech tätig sind.
Mit dem Ingenieur Reiner Lemoine verbindet Kühnel nicht nur der Traum einer atomkraftfreien Welt. Lemoines Ingenieurskollektiv „Wuseltronik“ beschäftigte sich früh und bahnbrechend mit der Gewinnung von Wind- und Sonnenenergie und war wegweisend für die spätere Solarbranche.
Ladeinfrastruktur auf Supermarktparkplätzen, Wärmespeicherpotenzialstudien, Forschungsdateninfrastruktur, Dekarbonisierung der Industrie in Marokko, Energiezugang im Kongo, menschenzentrierte Mobilitätsangebote – das Forschungsinteresse des Instituts ist vielseitig. Dabei geht es meist um die Transformation von Energiesystemen, darum, wie Mobilität mit erneuerbaren Energien aussehen kann, oder um sogenannte Off-Grid-Systeme für die Energieversorgung, also Anlagen, die nicht an ein öffentliches Stromnetz angeschlossen sind und nur mit Energiespeichern funktionieren.
Warum das RLI der beste Ort für die Arbeit an der Energiewende sei, habe außer fachlichen, auch kulturelle Gründe: Die Arbeitskultur. „Wir schätzen uns als Menschen.“ Was die Mitarbeitenden des Instituts verbinde, sei „wie wir hier miteinander arbeiten“, ohne Rassismus und Sexismus, mit hundertprozentigem Fokus auf die erneuerbaren Energien. Die mehrheitliche Führung in Doppelspitzen habe sich „so ergeben und ist heute ein wichtiger Baustein für die Resilienz.“
Aus dem Ehrenamt kommend, habe Kühnel immer „eine bestimmte Brille aufgehabt“ – oft die kritische – immer mit dem Ziel Initiativen aus der Gesellschaft anzustoßen. „Nur technische Aspekte reichen nicht für eine erfolgreiche Energiewende“, sagt sie. Besonders für die Berichterstattung wünsche sie sich mehr positive Beispiele, z. B. die Balkonkraftwerke. „Am RLI schauen wir auf die Möglichkeiten.“
Rico Bigelmann für Adlershof Journal
Christine Kühnel - Reiner Lemoine Institut (reiner-lemoine-institut.de)