Recap Diversity Festival 2024
7 Takeaways von Initiatorin Bessie Fischer-Bohn
Über 200 Menschen haben sich für das diesjährige Diversity Festival angemeldet – doppelt so viele wie letztes Jahr. Es gab Keynotes, Impulsvorträge, Masterclasses, Workshops, eine Panel-Diskussion im Fishbowl-Format und eine Party. Initiiert hat das Ganze Bessie Fischer-Bohn. Welche neuen Formate hat sie initiiert? Welche Impulse zur Selbstreflexion hat sie mitgenommen und was sind ihre Takeaways? Hier und im neuen WISTA-Podcast berichtet sie über ihre Intention für das Diversity Festival und die wichtigsten Schlüsselmomente.
1. Vielfalt muss auf oberster Führungsebene gelebt werden.
Haltung und Engagement für Vielfalt im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext beginnt mit den CEOs. Mit Roland Sillmann haben wir bei der WISTA Management GmbH einen CEO, der für Vielfalt steht, der sie vertritt, sie beauftragt und vorantreibt. In seiner Eröffnungsrede zum Diversity Festival betonte Roland: Wirtschaftskraft entsteht erst durch Vielfaltsmanagement. Und er führte eine Studie (2016) an, die einleuchtet: Professor Richard Florida untermauerte mit seinen Forschungen seine These: “The more ‘gay-friendly’ a city is, the more economically prosperous it will be.”
Florida fand heraus, dass tolerante Städte die besten Talente anzogen: In den USA erwiesen sich die Städte San Francisco, Seattle, Boston, Portland (Oregon) und Tampa als florierende Zentren für technologischen Innovation. Diese Städte wiesen nicht nur größere LGBTIQ+ Communities auf als andere Städte, sondern auch ein höheres Einkommensniveau und die besten Arbeitsmärkte. Auch wir wollen ein prosperierender Wirtschaftsstandort sein. Dabei leitet uns der Dreiklang aus Tech, Talents, Tolerance.
2. Es war gut, dieses Jahr etwas anders zu machen.
Was haben wir anders gemacht? Wir haben das Diversity Festival noch größer, noch bunter, noch interessanter gestaltet als letztes Jahr. Wie haben wir das erreicht? Zunächst durch ein Ganztagsprogramm. Wir haben die Masterclasses doppelt angeboten – am Vor- und zusätzlich am Nachmittag. Warum? Weil wir sicherstellen wollten, dass alle Menschen teilnehmen können. Dadurch, denke ich, erklärt sich auch die höhere Anmeldezahl.
Für die Teilnahme an den Masterclasses haben wir on top Zertifikate eingeführt.
Wir sind eine Landesgesellschaft, die Wirtschaftsförderung betreibt. Aus dem Grund haben wir den Fokus des diesjährigen Festivals verstärkt auf den wirtschaftlichen Aspekt von Diversity gelegt.
Die Leitfrage war: Warum ist Diversity ein entscheidender Faktor für die Wirtschaft? Dazu haben zahlreiche Referent:innen durchs Programm geführt. Eine Masterclass – sie war schon letztes Jahr überrannt – haben wir dieses Jahr auf Englisch angeboten. Zum einen, weil wir viele internationale Arbeitskräfte am Standort haben, zum anderen, weil der Wunsch explizit genannt wurde. Das Thema der Masterclass: “Intercultural & Inclusive Teamwork: Tools for effective collaboration in diverse teams”. Der Experte: Wolfgang Jokusch, Seniortrainer für interkulturelles Management BAMIK GmbH.
3. Nichts toppt echte Begegnungen: Wir haben ein Meet & Gr:eat eingeführt.
Warum? Weil erst Begegnungen mit Andersartigkeit die Basis für Toleranz und Vielfaltsmanagement bilden. Und auch, weil der Wunsch geäußert wurde. Aber allein mehr Zeit dafür anzubieten, hat uns nicht gereicht. Deswegen haben wir überlegt, das Format Meet & Gr:eat zu entwickeln: Gastgebende Moderator:innen haben dazu an verschiedenen Tischen auf unserer Terrasse Platz genommen und Themen zum Gespräch angeboten. Teilnehmenden konnten sich einfach dazugesellen. Für mich war es ein bedeutendes Highlight – von vielen – zu sehen, wie alle Tische besetzt waren. Dass unterschiedlichste Menschen ins Gespräch miteinander vertieft waren, fand ich sehr bewegend. Denn sicher können wir versuchen, viel vorzutragen, zu vermitteln und zu lernen: Aber in der persönlichen Begegnung, im gegenseitigen Zuhören, erfahren wir Unterschiede. Das Meet & Gr:eat hat eingeschlagen.
4. “Unity in Diversity”: Das Motto des Diversity Festivals hat gesessen.
Wir haben ein Motto mit Durchschlagskraft gewählt, denn die Wahrheit ist: Diversität ist schwer zu managen und Menschen mit vielfältigen Backgrounds zu einigen eine komplexe Aufgabe. Will man Diversity richtig nutzen, dann ist es unerlässlich, eine gemeinsame Basis zu finden. Eine Einheit, eine gemeinsame Haltung, gemeinsame Herangehensweisen, gemeinsame Regeln.
Eine Grundregel hier bei uns ist Demokratie. Wie wichtig es ist, die demokratischen Grundwerte zu verteidigen, ist in den letzten Wochen und Monaten stark in den Fokus gerückt. Insofern war die Kernbotschaft unseres Mottos: Ja, man kann in Vielfalt eine Einheit erzeugen. Das geht und und das ist eine Superpower, wenn wir sie gekonnt und zukunftsweisend einsetzen.
5. Ein Schlüssel, um komplexe Herausforderungen zu lösen? Strategisches Diversity-Management.
Dr. Julia Borggräfe verknüpft mit ihrer Arbeit die Themen Verwaltung und Innovation. Sie ist Associate und Co-CFO bei Metaplan, Gesellschaft für Verwaltungsinnnovation. Verwaltungsinnovation: Das klingt erstmal wie ein Oxymoron. Und genau aus dem Grund habe ich Julia als Referent:in auf dem Diversity Festival vorgeschlagen. Das Thema ihrer Keynote lautete: “Innovationskraft durch Vielfalt: Wie Diversität uns befähigt, komplexe Herausforderungen zu meistern.” Julia hat die Erfahrung gemacht, dass Diversity nicht ein zusätzlicher Faktor ist, der unsere Welt noch komplexer macht als sie schon ist. Nein, Julia macht die Umkehrung:
Gutes, strategisch organisiertes Diversity-Management ist ein Schlüssel, um überhaupt mit der Komplexität unserer Welt und Zeit gut umzugehen. Dieser Twist im Mindset zahlt wesentlich in die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Denn erst diverse Perspektiven ermöglichen ein besseres Komplexitäts- und Innovationsverständnis. Innovation braucht Strategie und Vielfalt braucht gutes Management – keine Frage: Das bedeutet richtig viel Arbeit.
Drei Leitfragen, die ich mir aus Julias Vortrag mitgenommen habe und die sich jede Organisation bei den ersten Steps für besseres Vielfaltsmanagement stellen kann, sind: Wozu brauche ich Diversität? Was ist der Unternehmenszweck? Wo tut Diversität uns gut? Danach können Roadmaps, Analysen, Ressourcen für Diversity, Formate und externer Support den Weg zu gutem Vielfaltsmanagement weisen.
6. Sich über die eigenen Privilegien bewusst zu werden, ist der erste Schritt zu mehr Allyship.
Was mich vorab schon sehr gefreut hat: Der Tagesspiegel hat das Diversity Festival und unter anderem auch die Masterclass von Yolanda Rother angekündigt: “Allyship im Arbeitskontext. Von der Theorie bis in die Umsetzung”. Yolanda ist Co-Founder von The Impact Company und Diversity-Beraterin. Nun ist Allyship kein Begriff, der allen sofort geläufig ist. In Ihrer Masterclass hat Yolanda an die Thematik herangeführt und Fragen zur Selbstreflexion gestellt. Denn das Hinterfragen und Bewusstmachen von Privilegien befähigt Menschen erst, Allyship zu betreiben.
Welche Rolle spielen “Allys”, also Verbündete, im Arbeits-/ Alltag? Was wünschen wir uns, wenn wir Ungerechtigkeit erfahren oder miterleben? Welche Privilegien haben wir und auch welche Marginalisierungen? Zahlreiche Fragen und Anregungen kamen von den Teilnehmenden, beispielsweise: Wie praktiziere ich Allyship richtig? Wie vermeide ich, hinsichtlich Diversity eine Hypersensibilität aufzubauen? Wie manage ich kognitive Diversity?
Einig waren sich alle Teilnehmenden darin, dass sich die Gesellschaft in einer Umbruchphase befindet – dass Themen wie Gendern spalten, dass sie als unangenehm empfunden werden können. Dass Menschen oft ihre Komfortzone verlassen müssen, um Einigkeit herzustellen. Dieses Sentiment auszuhalten, Reflexion zu betreiben, Sensibilität aufzubauen und sich in Toleranz zu üben, wurde in der Masterclass als große gesellschaftliche Aufgabe begriffen.
7. “Be diverse or shrink”: Diversity ist die Cash Cow erfolgreicher Unternehmen.
Und das aus mehreren Gründen. Prof. Dr. Lorenz Narku Laing ist Experte für Rassismusforschung und lieferte in seine Keynote: “Diskriminierungsfreie Wirtschaften als Zukunftsaufgabe” zahlreiche Kernbotschaften. Folgende vier habe mir besonders eingeleuchtet:
Das Narrativ rund um Diversity muss sich ändern. Als Diversity Beauftragte:r sollte man das, was allen gleichermaßen nützt, stärker herausarbeiten: Diversität ist ein Freiheitsgewinn. An Diversität können alle teilhaben. Von Diversität können alle profitieren.
Diversität ist ein Leistungsprinzip. Oder auch: “Be diverse or shrink”. Denn geht man nach den alten "Leistungsprinzipien", dann studieren Arbeiter:innenkinder nicht, Frauen werden keine CEOs und High Performer wegen ihrer Homosexualität gekündigt. Wer aber Talente leistungsorientiert einstellt, stellt nach Kompetenzen ein. Das bedeutet in der Folge:
Erst rassismusfreies Wirtschaften macht Unternehmen erfolgreich: Unternehmen, die strategisch mehr Minderheiten erreichen, haben größere Absatzmärkte. Unternehmen, die leistungsorientiert Ressourcen auswählen, finden leichter Personal. Und Unternehmen, die tolerant sind, haben höhere Rentention Rates.
Vielfalt gut gestalten bedeutet Vergebung auf beiden Seiten – einerseits auf Seiten der Menschen, die vermeintlich Privilegien verlieren und andererseits auf Seiten dieser, denen der Vielfalts- und diskriminierungsfreie Prozess nicht schnell genug geht. Es braucht Zeit. Es braucht Verständnis, es braucht eine vergebende Haltung.
Extra-Learning: Das diesjährige Diversity Festival hat mich dazu inspiriert, das nächste zu planen. Aber barrierefrei.
Ich habe aus zahlreichen Feedback-Gesprächen herausgehört, dass das Festival sehr inspirierend war und sich weiterentwickelt hat. Aber ich habe auch vernommen, dass wir uns damit beschäftigen sollten, das Festival barrierefreier zu gestalten. Barrierefreier insofern, als dass wir auch Menschen ansprechen sollten, die noch nicht wissen, was “Equity”, “Equality” oder “Allyship” bedeuten. Menschen, die sich noch nicht mit dem Themenkomplex “Diversität und Wirtschaftserfolg” oder seiner Wichtigkeit beschäftigt haben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch wir barrierefreier denken.
» Hast Du am Diversity Festival teilgenommen? Schön, dass Du dabei warst! Wie hast Du es erlebt?
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