Energiesparende Vernetzung
Neues Institut für Gebäudetelematik will Energieverlusten vorbeugen
Um CO2-Emissionen spürbar zu reduzieren, müssen nicht nur Industrieunternehmen, sondern auch Privathaushalte ihren Beitrag leisten. Laut einer aktuellen Erhebung kommen von 100 Prozent Primärenergie nur 31 Prozent als Nutzenergie beim Verbraucher an. Der Rest wird durch Umwandlungsverluste, Eigenbedarf der Erzeuger oder Verluste beim Verbraucher quasi vergeudet...
Energieintensiver Stand-by Modus
"Allein der Stand-by-Modus ist ein wahrer Energiefresser. In Deutschland produzieren zurzeit zwei Kraftwerke ausschließlich Strom für den Stand-by-Verbrauch von Geräten", macht Birgit Wilkes, Professorin für Telematik an der TFH-Wildau und Geschäftsführerin des neu gegründeten An-Instituts für Gebäudetelematik, deutlich. Telematik ist eine noch junge wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der intelligenten Vernetzung von Systemen (PCs, Handys, PDAs, Server, Hausgeräte, Satelliten etc.) beschäftigt. Die Einsatzmöglichkeiten für Telematikanwendungen sind vielfältig und reichen von der durch die LKW-Maut bekannt gewordenen Verkehrstelematik über die Gesundheitstelematik (Telemedizin) und Bildungstelematik (E-Learning) bis zur Sicherheits- und Gebäudetelematik.
Erhebliche Einsparpotenziale
Im Rahmen eines Projekts untersuchte die Telematik-Professorin gemeinsam mit ihren Studenten, wie viel Energie private Haushalte durch den Einsatz intelligenter Steuerungs- und Regelsysteme einsparen können. "Als Ausgangsszenario diente der Stand-by-Verbrauch aller Geräte in meiner Wohnung. Dieser lag bei erschreckenden 194 Watt, was jährlichen Energiekosten von 322,90 Euro entspricht", schildert Prof. Birgit Wilkes das Ergebnis ihres Energie-Checks. Einsparpotenziale können z.B. durch konsequentes Ausschalten aller unnötigen Geräte genutzt werden. Leider gibt es Geräte, die auch in ausgeschaltetem Zustand Strom verbrauchen. Diese können mit Hilfe funkgesteuerter Kleinstempfänger, die sich mühelos in jede vorhandene Steckdose einbauen und über einen Handsender oder Schalter abschalten lassen, sehr leicht ausgetrickst werden.
Intelligente Einsparlösungen
"In unseren Untersuchungen konnten wir feststellen, dass moderne Elektrogeräte entgegen aller Erwartungen und Werbeversprechen nicht Strom sparender sind als ältere. Auch Geräte von renommierten Herstellern schnitten nicht besser ab als No-Name-Produkte", so das ernüchternde Fazit von Prof. Birgit Wilkes. Im Durchschnitt könnten allein durch fernschaltbare Steckerleisten und Steckdosen jährliche Energiekosten in Höhe von 90 Euro pro Haushalt eingespart werden. Mit Herstellern von Funktechnik- und Heizungssteuerungssystemen entwickelt das Institut für Gebäudetelematik Produkte, mit denen sich Energieeinsparungen zwischen 20 und 30 Prozent erzielen lassen. Eine mit intelligenten Energiesparlösungen des Instituts für Gebäudetelematik ausgestattete Musterwohnung wird ihr Einsparpotenzial ab Herbst in Neukölln unter Beweis stellen.
Nutzerfreundliche Low-Tech-Produkte
"Viele Lösungen zur Energieoptimierung im Wohnungsbereich orientieren sich an Regelungs- und Steuersystemen, die in der Industrie zum Einsatz kommen. Das heißt sie können wesentlich mehr als eigentlich nötig ist und dies schlägt sich natürlich im Preis nieder", gibt Prof. Wilkes zu bedenken. Im Fokus des Institutes für Gebäudetelematik und seiner Kooperationspartner stehen deshalb preiswerte, dem Wohnungsbau angemessene Lösungen, bei denen die Energiesparfunktion im Vordergrund steht. Interesse an derartigen Lösungen besteht vor allem bei Wohnungsbaugesellschaften. Aufgrund stetig steigender Nebenkosten, die in Extremfällen sogar die Höhe der Kaltmiete erreichen können, sind moderne Energiesparlösungen eine vorausschauende Maßnahme, um potenzielle Mietinteressenten zu überzeugen und längeren Leerstand zu vermeiden.
Enormer Nachholbedarf
"Obwohl Deutschland bei alternativen Energien eine Vorreiterrolle einnimmt, hinken wir bei innovativen Energiesparlösungen im Vergleich zu anderen Ländern deutlich hinterher", macht Prof. Wilkes deutlich. Während man in Skandinavien, Italien und Großbritannien bereits seit einigen Jahren auf fernablesbare Energiezähler und energiesparendes Gerätemanagement setzt, sind deutsche Wohnungsbaugesellschaften bislang nicht über die Ausstattung von Testbereichen hinausgekommen. Bleibt zu hoffen, dass die für das Jahr 2008 geplante Einführung des Gebäudeenergieausweises die deutschen Wohnungsbaugesellschaften zum Umdenken zwingt und sie über kurz oder lang aus ihrer "Energiespar-Lethargie" befreit.
Geringere Spitzenlasten
"Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Einsatz innovativer Energiesparlösungen bei unseren europäischen Nachbarn von den dortigen Energiekonzernen vorangetrieben wird, die sich im Gegensatz zu deutschen Energieversorgern mittlerweile zu Energiedienstleistern gewandelt haben", betont Prof. Wilkes. Obwohl natürlich auch die Verbraucher von modernen Energiesparlösungen profitieren, dürfte das Engagement der Energiekonzerne nicht ganz uneigennützig sein: Fernablesbare Zähler, intelligent vernetzte Geräte und zeitabhängige Tarife leisten einen wesentlichen Beitrag zum Abbau von Spitzenlasten. Um den phasenweise erhöhten Energieverbrauch abdecken zu können, betreiben die Energiekonzerne Extra-Kraftwerke, die bei Bedarf zugeschaltet werden. Ein enormer Kostenfaktor, der sich mit Hilfe innovativer Energiesparlösungen sehr leicht einsparen ließe...
Kontakt:
Institut für Gebäudetelematik
Prof. Birgit Wilkes
Rudower Chausee 29
12489 Berlin
Tel.: 03375/508-364
E-Mail: bwilkes(at)igw.tfh-wildau.de
Quelle: IZBM-Insider, Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH, August 2007