Im Spurt zu neuen Medikamenten dank zellfreier Proteinsynthese

Das wissenschaftsnahe Dahlemer Start-up B4 PharmaTech eröffnet neue Möglichkeiten der personalisierten Medizin

Ohne Proteine ist Leben nicht möglich. Die auch als Eiweiße bezeichneten Makromoleküle bilden sich in jeder Zelle von Lebewesen. Unsere Muskeln, Herz, Hirn, Haut und Haare bestehen überwiegend aus Proteinen. „Doch auch in zellfreien Systemen lassen sich Proteine herstellen, sogar solche, die in lebenden Zellen gar nicht gebildet werden“, sagt Stefan Kubick, CEO des Berliner Start-ups B4 PharmaTech.

Zunächst wird ein Extrakt aus der lebenden Zelle gewonnen. Dieses sogenannte Lysat enthält die wesentlichen Elemente zur zellfreien Proteinsynthese, die im Reaktionsgefäß in etwa 60 Minuten ablaufen kann. In lebenden Zellen kann dagegen die Proteinproduktion 24 bis 48 Stunden dauern. „Das eingefrorene Lysat kann mehr als zehn Jahre lang für die automatisierte zellfreie Proteinsynthese genutzt werden“, erklärt Biochemiker Kubick in der Dahlemer Startup Villa der Freien Universität Berlin (FU). Diese Technologie beschleunige die Entwicklung von Medikamenten erheblich.

Studiert hat der gebürtige Esslinger und begeisterte Segler Kubick an der Universität Hohenheim in Stuttgart, wo er am Institut für Physiologie promovierte, bevor er 1998 als Postdoc an die Freie Universität Berlin wechselte. Das Thema Proteine ließ Kubick auch nicht los, als er den Sprung in die Wirtschaft wagte und im Jahr 2000 zum Start-up RiNA GmbH wechselte, das der Biochemieprofessor Volker Erdmann gegründet hatte. Neun Jahre setzte er seinen Ehrgeiz daran, neue zellfreie Proteinsynthesesysteme zu entwickeln, wobei er mit industriellen Partnern wie Qiagen und Roche zusammenarbeitete. „Das lief gut“, sagt Kubick. Besonders erfolgreich waren Synthese-Kits. Da das zellfreie System keinen gentechnisch veränderten Organismus enthält, können die Kits per Post verschickt werden. Die erforderlichen Substanzen zusammengemixt, ist nach 60 Minuten das gewünschte Protein fertig.

Dann folgten 16 Jahre erfüllter Forschung am Potsdamer Fraunhofer-Institut, bevor der umtriebige Wissenschaftler wieder den Sprung in die freie Wirtschaft wagte. 2023 gründete er mit vier Mitstreitern aus den Sparten Chemie, Medizin und Antikörperforschung, unterstützt durch Profund Innovation, seine B4 PharmaTech. „Wir können von der chemischen Laborbank weg bis in die Klinik jedes dazugehörige Gebiet abdecken“, sagt Kubick.

An der Berliner Hochschule für Technik (BHT) kann B4 PharmaTech bereits ein Labor nutzen. „Für uns wäre es hochinteressant, perspektivisch die Laborkapazitäten im neuen FUBIC (Business and Innovation Center next to Freie Universität Berlin Campus) nutzen zu können“, sagt Kubick und deutet auf die Baustelle hinter der Startup Villa. Schließlich werde an der Schnittstelle zwischen Chemie und Biologie geforscht. Das Ziel seien neue Antikörper-Wirkstoff-Konjugate: „Patentierbar, entwickelbar bis in die Klinik hinein und mit sehr vielen Möglichkeiten im Bereich der personalisierten Medizin.“ Mit Einbeziehung künstlicher Intelligenz ließe sich eine große Menge neuartiger Designerproteine herstellen. Auch für wissenschaftliche Kommunikation, Ressourcenplanung oder die Entwicklung von Forschungszielen schätzt Kubick die Nähe zur Universität. Er ist Dozent an der BHT, der Technischen Universität Berlin und der FU Berlin. An letzterer hat er sich habilitiert und bietet seit über 20 Jahren Seminare, Praktika und Vorlesungen im Bereich der zellfreien Proteinsynthese an.

Das Feedback aus den Vorlesungen ist ihm wichtig. „Wir wollen in unserer Firma auch die Möglichkeit bieten, dass Studierende sich mit ihren Ideen ausleben können, was alles zellfrei möglich wäre.“ Dafür seien sie in einem campusnahen Start-up wie B4 PharmaTech gut aufgehoben. Nach dem Examen könnten Stellen angeboten werden. „Wir sind darauf eingestellt, zu wachsen. Der Idealzustand wäre mindestens 30 Mitarbeitende. Die Studierenden fragen sehr oft nach Möglichkeiten, ihre spezifischen Fachkenntnisse einbringen zu können.“

Dr. Paul Janositz für POTENZIAL

Zur Webseite von B4 PharmaTech