Jahrhundert des Photons
Thomas Elsässer, Direktor am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin Adlershof, über den Stand aktueller Forschung und zunehmender Anwendung optischer Technologien
Adlershof Magazin: Fachleute bezeichnen das 21. Jahrhundert als das des Photons, also der Nutzung des Lichts. Weshalb entwickeln sich gerade optische Verfahren zu einer der dominierenden Schlüsseltechnologien?
Elsässer: Optische Verfahren ermöglichen in vielen Wirtschafts- und Lebensbereichen völlig neue technologische Lösungen und Produkte. Lassen Sie mich einige Beispiele nennen: In der Beleuchtungstechnik ist eines der großen Probleme der Energieverbrauch konventioneller Glühlampen. An seiner Senkung wird weltweit gearbeitet. Dazu werden neue Bauelemente entwickelt - zum Beispiel Leuchtdioden und Plasmaquellen. Im Bereich der Halbleitertechnologie hat sich die Optik sehr gut etabliert. Bei der Herstellung eines Speicherchips mit höchster Integrationsdichte sind die entscheidenden lithografischen Schritte zur Erzeugung der Halbleiterstruktur optischer Natur. Dabei kommt kurzwelliges Licht zum Einsatz. Und im Alltag sind optische Speicher- und Kommunikationstechniken wie CD, DVD und das Internet für viele Menschen selbstverständlich geworden.
Wenn man die Frage mehr technisch versteht, so lautet die Antwort, dass wir heute die Eigenschaften des Lichts in sehr weiten Grenzen verändern können. Das betrifft zum Beispiel die Impulsdauer, die Milliardstel einer Milliardstelsekunde betragen kann. Auch die Intensität und die Farbreinheit sind solche Eigenschaften. Damit sind erstmals maßgeschneiderte Lösungen für viele Anwendungen realisierbar.
Adlershof Magazin: Wie begründen Sie das hohe Entwicklungstempo?
Elsässer: In den letzten ein bis zwei Jahrzehnten gab es eine Reihe von Durchbrüchen in der Lasertechnologie und bei der Erschließung von neuen Materialien für optische Anwendungen. Vorangetrieben wird die Entwicklung natürlich auch durch das kommerzielle Interesse der Wirtschaft. Die CD hat die konventionelle Schallplatte abgelöst - ein absoluter Massenmarkt. Und so stehen weltweit eine Reihe von Entwicklungen an der Schwelle zum Marktdurchbruch.
Adlershof Magazin: Welche Aufgaben hat die Grundlagenforschung im Bereich der optischen Technologien derzeit zu lösen?
Elsässer: Auf den ersten Blick sind wir von praktischen Anwendungen weit entfernt. Grundlegendes Thema für die Forschung - und damit auch für das Max-Born-Institut - ist die Wechselwirkung von Licht mit Materie, die Grundlage jeder optischen Technologie. Unser Ziel ist es, diese Prozesse möglichst genau zu verstehen. Denn das ist die Voraussetzung, um überhaupt technologische Anwendungen zu realisieren. In der Grundlagenforschung an Lasern geht es um die Untersuchung neuer Materialien - zum Beispiel um neue Wirkprinzipien zu erfinden und zu erproben. Damit sollen Laser effizienter gemacht und spezielle Eigenschaften, Zeitstrukturen, Frequenzbereiche erschlossen werden. Diese Art von Forschung ist sehr stark interdisziplinär, weil sich dort Optik verbinden muss mit Materialherstellung, mit Festkörperphysik, mit Elektronik.
Ein zweiter Bereich ist gerade in den letzten Jahren stark in den Vordergrund gerückt. Er hat mit der Ausbreitung von Licht über große Distanzen zu tun. Zur Übertragung werden beispielsweise Glasfasern verwendet. Sie sind homogen, das heißt die Eigenschaften der Faser als Funktion ihrer Länge sind im Idealfall konstant. Heute forscht man an photonischen Fasern und Kristallen als Lichtleitern. Das sind Medien, die auf der Längenskala der Lichtwellenlänge strukturiert sind. Damit können bestimmte Übertragungseigenschaften optimiert und maßgeschneidert werden.
Adlershof Magazin: Was sind die Arbeitsschwerpunkte am Max-Born-Institut?
Elsässer: Wir arbeiten in einem speziellen Themenbereich der Optik, in dem es darum geht, extrem schnelle Prozesse zu untersuchen, zu verstehen und zu steuern. Unsere Werkzeuge dabei sind extrem kurze Lichtimpulse. Eine weitere Forschungsrichtung ist die Erzeugung und Nutzung hoher Lichtintensitäten, um spezielle Materiezustände, zum Beispiel Plasmen, zu erreichen.
Adlershof Magazin: Welche Bedeutung hat die Lasertechnik für das noch relativ junge Wissensgebiet?
Elsässer: Ohne Laser gäbe es dieses Forschungsgebiet nicht. Der Laser ist die zentrale Lichtquelle für jede Art von optischer Technologie. In einem CD-Player wird natürlich ein anderer Laser benutzt als in der Augenheilkunde. Und diese Technologie ist so reif, dass sie für viele Anwendungsfelder optimierte Lösungen ermöglicht. Optische Verfahren kommen zum Beispiel zunehmend in der Biologie und in der Medizin zum Einsatz. Die Mehrphotonenmikroskopie und die Kohärenztomographie für Gewebeuntersuchungen ermöglichen genauere und effizientere Diagnosen. Auch optische Behandlungsmethoden existieren bereits, in der Augenheilkunde zum Beispiel das Netzhautschweißen. In der Zahnheilkunde gibt es erste Anwendungen, auch in der Dermatologie.
Adlershof Magazin: Experten betonen, dass es sich bei den optischen Technologien um eine nationale wirtschaftliche Herausforderung handelt. Wirddiese in Deutschland erkannt?
Elsässer: Überwiegend ja. Deutschland lag bei der Herstellung optischer Komponenten immer ganz vorn. Heute, in Zeiten der Photonik und Optoelektronik, geht es um die Erschließung neuer technologischer Verfahren und Anwendungsgebiete. Ich denke, das ist sehr wohl erkannt, sowohl in der Industrie als auch bei den öffentlichen Geldgebern. Das Bundesforschungsministerium hat vor einigen Jahren ganz gezielt in diesem Bereich neue Förderprogramme aufgelegt. Vor allem aber existieren sehr intensive Kontakte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft
Adlershof Magazin: Ist mit der Kürzung von Fördermitteln zu rechnen?
Elsässer: In der institutionellen Forschungsförderung: ja. Die Berliner Universitäten erleben diese Situation schon. Natürlich sind die Mittel auch in der Projektförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Bundesforschungsministeriums knapp. Trotzdem wird versucht, in diesem Bereich Kürzungen weitgehend zu vermeiden. Es gibt aber ein anderes Problem, das uns letztlich vielleicht sogar viel gravierender treffen wird als fehlende Gelder. Ich meine den Mangel an qualifiziertem Nachwuchs. Schon jetzt ist abzusehen, dass die Zahl entsprechend qualifizierter Hochschulabsolventen in den nächsten Jahren bei weitem nicht ausreicht.
Adlershof Magazin: Wie schätzen Sie die Leistungsfähigkeit Berlins ein?
Elsässer: Die Optik hat in der Berliner Forschungslandschaft immer eine große Rolle gespielt und tut das gerade auch heute. An der Technischen Universität gibt es seit langem ein Optisches Institut. Fragestellungen der Optik werden in außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie dem Max-Born-Institut und dem Heinrich-Hertz-Institut bearbeitet; dort zum Beispiel auf dem Gebiet der optischen Kommunikationstechnik. An der Humboldt-Universität und an der Freien Universität existiert ebenfalls Optik im Sinne von Spektroskopie und weiteren optischen Forschungsmethoden. Zudem wird in Berlin die Verbindung von Optik und Mikrosystemtechnik gezielt gepflegt, eine sehr wichtige Schnittstelle insbesondere in der Optoelektronik. Nach meinem Eindruck ist der Schulterschluss zwischen den Berliner Forschungsinstituten und der Industrie recht eng. Es gibt hier eine ganze Reihe traditioneller aber auch neu gegründeter Optikbetriebe - weit über 50, vor allem auch am Standort Adlershof. Sie haben sich mehrheitlich mit Forschungspartnern in einem Netzwerk zusammengeschlossen, der Optec-Berlin-Brandenburg (OpTecBB). Insgesamt also ist das Berliner Potenzial sehr groß. Da sind Projekte realisierbar, die nach meiner Auffassung an anderer Stelle in Deutschland derzeit nicht möglich scheinen.
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