Know-why, -what, -how, -who? Was wir über die Zukunft der Arbeitswelt wissen müssen
Essay von Katja Ninnemann, Professorin für Digitalisierung und Workspace Management an der HTW Berlin
Fragen zur Arbeitswelt der Zukunft sind im Zuge aktueller Herausforderungen, wie zum Beispiel disruptiver Technologieentwicklungen, wachsendem Fachkräftemangel und den Folgen der Coronapandemie, in aller Munde. Zukünftige Lebens- und Arbeitswelten werden dabei oft als Dualismus – mit dem dystopischen Bild der ‚verlorenen Welt‘ und der utopischen Version einer ‚besseren Welt‘ – skizziert. Dabei müssen wir uns aber vor Augen halten, dass die Art und Weise, wie und wo wir leben und arbeiten (werden), nicht einfach vorhanden ist, beziehungsweise entsteht. Unsere gebaute Umwelt ist immer das Produkt sozialer Aushandlungsprozesse. Das bedeutet, dass schrecklich/schöne Visualisierungen einer Arbeitswelt der Zukunft allein keine Aussagekraft haben, wenn wir nicht um die dahinterliegenden Erwartungen, Werte, Rollen und Normen – also das Know-why – wissen. Erst mit der Offenlegung und Auseinandersetzung über Beweggründe, von persönlichen Interessen bis hin zu organisationalen Anforderungen und gesellschaftlichen Regeln, können wir Zukunftsbilder diskutieren.
Darüber hinaus braucht es auch die Aneignung von Faktenwissen: So kann aus Wissenschaft und Praxis zusammengefasst werden, dass es keine Blaupausen für ein optimales Verhältnis von Büroarbeit und Homeoffice, gemeinsam und einsam arbeiten oder physischer und virtueller Präsenz gibt. Forschungserkenntnisse zeigen, dass ganz individuelle Bedürfnisse auf die Auswahl von Arbeitsorten bei hybriden Arbeitsmodellen einzahlen; aber eben auch organisationale Erfordernisse an Teams, die mit komplexen Frage- und Aufgabenstellungen bei Innovationsprozessen konfrontiert sind. Außerdem sind externe Faktoren bei der Organisation von Arbeitswelten von Bedeutung, wie etwa familiäre, wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rahmenbedingungen, die je nach Person und in bestimmten Lebensphasen sehr unterschiedlich sein können. Alle Faktoren zusammen eröffnen vielfältige Ansätze für unterschiedlichste Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aber aus einer Metaperspektive zum Gestern, Heute und Morgen gar nicht mehr so unterscheiden: So ist beispielsweise das Homeoffice keine neuerliche Erfindung der Informationsgesellschaft. Bereits vor der Industrialisierung waren Lebens- und Arbeitswelten in den Kaufmanns- und Handwerkerhäusern der mittelalterlichen Städte eng verknüpft und Frauen aus den unteren Schichten der Stadtbevölkerung trugen mit Heimarbeit zum Lebensunterhalt bei. Die kritische Analyse von Modellen sowie Fachkenntnisse über valide Konzepte – also das Know-what – sind damit eine zentrale Grundlage, damit wir die Zukunft der Arbeitswelt (mit-)gestalten können.
Und wie könnte die Arbeitswelt von morgen denn dann aussehen? Das kommt ganz darauf an, wie Jurist:innen gerne sagen. Oder anders formuliert: Wir brauchen Fertigkeiten und Prozesswissen – also das Know-how, um offene, kreative, effiziente und nachhaltige Lösungen für relevante Problemstellungen bei der Arbeitsplatzgestaltung erarbeiten zu können. In einer Gesellschaft, in der allein permanente Veränderungsprozesse Bestand haben, gilt es nicht allein nur Fachkompetenzen zu stärken. Vielmehr sind darüber hinaus Methoden-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenzen von (zukünftig) handelnden Personen – also das Know-who – in Schule, Studium und Beruf auszubilden und in Gestaltungsprozesse aktiv einzubinden. Werden Know-why, Know-what, Know-how, Know-who zusammengedacht, können wir vielschichtige Arbeitsweltkonzepte der Zukunft modellieren und bereits heute realisieren.
Katja Ninnemann ist Expertin für Gestaltungspraktiken und Innovationsprozesse hybrider Lern- und Arbeitsumgebungen. Seit 2020 lehrt und forscht sie mit der Professur für Digitalisierung und Workspace Management an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW).