Lasereinsatz auf dem Acker
Die Escarda Technologies GmbH entwickelt am Zukunftsort Marzahn eine herbizidfreie Alternative für die Unkrautbekämpfung
Unkrautbekämpfung mit Herbiziden hat viele Nachteile: Sie kostet in der Landwirtschaft weltweit gut 15 Milliarden Euro jährlich mit stark steigender Tendenz, bedroht die Artenvielfalt und belastet Lebensmittel und Grundwasser. Im Zukunftsort Marzahn treibt die junge Escarda Technologies GmbH eine Hightech-Alternative auf Basis künstlicher Intelligenz voran.
Für das menschliche Auge sind die jungen Pflänzchen kaum zu unterscheiden. Erst recht nicht bei der Überfahrgeschwindigkeit moderner Traktoren. Dagegen unterscheidet das KI-basierte Bildverarbeitungssystem der Escarda Technologies GmbH in Sekundenbruchteilen, ob es sich um den zarten Spross einer Nutzpflanze oder ein schnell wucherndes Unkraut handelt. Erkannte Unkräuter haben keine Chance. Per Scanner richtet das System unter Ausgleich aller Vibrationen einen Laser auf ihre Wachstumszentren aus. Ein wenige Millisekunden kurzer Puls genügt. „Das absorbierte Licht schwächt das Unkraut so, dass es im Wachstumsrennen gegen die benachbarten Nutzpflanzen keine Chance mehr hat“, erklärt Julio Pastrana, Gründer und Geschäftsführer des 2019 gegründeten Start-ups.
Die patentierte Technologie von Escarda ist das Ergebnis von über einem Jahrzehnt intensiver Forschungsarbeit. Pastrana hat sie an den Universitäten Hannover und Bonn vorangetrieben und entschied Mitte der 2010er Jahre, damit ein eigenes Unternehmen zu gründen. Mithilfe eines EXIST-Gründerstipendium schuf er erste Strukturen, um das KI-basierte Laserverfahren in ein vermarktbares Produkt zu übersetzen. Bei einem Pitch fand sich bald ein interessierter Investor, mit dem das Start-up seither eng verbunden ist – und der Pastrana vom Umzug in den Zukunftsort Marzahn überzeugte. Die BERLIN.INDUSTRIAL.GROUP (B.I.G.) hat dort einen Campus, auf dem diverse Unternehmen mit Schwerpunkt Lasertechnik und Photonik zu Hause sind.
Für Escarda ist der Sitz am „CleanTech“-Standort Programm. Denn es geht um biologischen Ackerbau, um gesunde Ernährung, Umweltschutz und den Erhalt der Biodiversität. Wo Laser zur Unkrautbekämpfung eingesetzt werden, braucht es keine Herbizide. „Wir haben schon einige Kunden in Europa und den USA, die unser System im großflächigen Anbau von Biogemüse nutzen“, berichtet Pastrana.
Er zeigt Videos von Traktoren auf riesigen Feldern, an die eine acht Meter breite Vorrichtung mit mehreren Lasersystemen angebaut ist. Ursprüngliche Pläne, die Systeme gleich in autonom navigierende Fahrzeuge zu integrieren, hat der Gründer wegen des zu hohen Aufwands verworfen. Schon die Sicherheitsprüfungen für die Laser sind anspruchsvoll genug. In der Landwirtschaft wird es geschätzt, wenn bei einer Überfahrt mit mehreren Anbaugeräten unterschiedliche Aufgaben erledigt werden können: Es geht um Effizienz, Tempo und um Systemzuverlässigkeit.
Da überlässt Pastrana nichts dem Zufall. Mit seinem mittlerweile auf zehn Beschäftigte und Studierende gewachsenes Team trainiert er die künstliche Intelligenz anhand von Bildern aus Datenbanken darauf, dass sie regional unterschiedliche Unkrautarten in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung zuverlässig erkennt. „Wir sind inzwischen so weit, dass unsere KI robust genug ist, um eigenständig unter menschlicher Aufsicht zu lernen“, erklärt er. Dieses „Semi-Supervised Learning” ist die Vorstufe zum „Self-Supervised Learning“, in der die KI adaptiv und eigenständig in der Lage sein wird, Pflanzen zu unterscheiden. Sie lernt dann mit jeder Überfahrt und wird immer präziser funktionieren.
Aktuell ist Pastrana auf der Suche nach neuen Investoren. Denn andere Anbieter treiben die laserbasierte, herbizidfreie Unkrautbekämpfung voran. „Wir möchten unser Wachstum forcieren und weltweit weitere Kunden für unsere Lösung gewinnen“, erklärt er. Und auch die Zukunft seiner Escarda Technologies GmbH hat er klar vor Augen. Wenn sich das Verfahren in der Biolandwirtschaft bewährt – wo es oft mit der beschwerlichen und teuren manuellen Unkrautbekämpfung konkurriert –, dann wird es eher früher als später auch die konventionelle Landwirtschaft erobern. Neben allen anderen Nachteilen sind Herbizide für Landwirte ein echter Kostenfaktor. Der Weltmarkt hatte ein Volumen von 15,5 Milliarden US-Dollar, bevor die Preise im letzten Jahr um mehr als ein Viertel zugelegt haben. Angesichts der immer strengeren Umweltauflagen und der steigenden Herbizidkosten dürfte sich die Anschaffung von Unkrautlasern schon sehr bald lohnen.
Peter Trechow für Potenzial
Escarda Technologies - Weed Control System