Leben wie in einer Dorfgemeinschaft
Vor zehn Jahren eröffnete das Studentendorf Adlershof
Holzverkleidete Fassaden in Ziehharmonikaoptik, bunte Rollos und bodentiefe Fenster: Vor zehn Jahren wurde das Studentendorf Adlershof fertiggestellt. Seitdem leben und lernen hier rund 400 Studierende aus aller Welt. Auf knapp 100 Quadratmetern Gemeinschaftsfläche pro Wohneinheit entsteht ein Miteinander. Seit das Dorf 2014 eröffnet wurde, sind die Plätze heiß begehrt.
„Im ersten Semester, während der Pandemie, habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt“, sagt der Mathematikstudent Lukas Kunath. „Die Vorlesungen fanden über Zoom statt. Drei Leute saßen da immer zusammen vorm Bildschirm und hatten ziemlich viel Spaß.“ Die vergnügten Kommilitonen wohnten im Studentendorf Adlershof und zoomten aus ihrer Wohnküche. Bei ihrem Anblick fiel Kunath die Entscheidung nicht mehr schwer: Wenige Monate später bezog er ein Zimmer in einer Zehnerwohngemeinschaft – und ist bis heute froh, dass er diesen Schritt gegangen ist.
Eingezogen ist der Student in einen von acht dreigeschossigen Passivbauten. Auf jeder Etage befinden sich große Wohngemeinschaften mit bis zu dreizehn Zimmern. „Jedes Zimmer hat einen Erker, in den ein Schreibtisch eingebaut ist“, erklärt Jens-Uwe Köhler, Geschäftsführer der Studentendorf Adlershof GmbH.
„Nicht jedes Zimmer ist gleich: Mal gibt es ein großes Fenster, mal zwei, die ein bisschen kleiner sind, und außerdem verschiedene Erkerformen. Dadurch entsteht eine Bewegung in der Fassade, die ich fantastisch finde.“ In zwei weiteren Gebäuden befinden sich Wohnungen für Forschende und kleinere Apartments, eine Kita und ein Fitnessraum, den alle Studierenden nutzen können.
Im Dorf einzuziehen war für Kunath, der als Einzelkind aufwuchs, eine große Veränderung. Plötzlich stieß er auf Studierende aus aller Welt – und in seiner Wohnung ist immer etwas los. „Jeden Morgen, wenn ich aufstehe, lerne ich neue Leute kennen, die jemand mitgebracht hat.“ Aktuell wohnt er mit Studierenden aus England, Ägypten, Tschechien und Rumänien zusammen. „Ich habe viel über andere Kulturen gelernt und auch, sehr gut zu kochen und fließend Englisch zu sprechen. Mein Französisch konnte ich auch verbessern.“
In der Wohnküche spielen die Studierenden Brettspiele, feiern Partys. „Geht die Party noch bis sieben Uhr morgens, ist das aber kein Problem. Es ist alles super isoliert.“ Zum Lernen verschlägt es den Mathematikstudenten in die wenige Gehminuten entfernte Bibliothek. Wenn alle Formeln verinnerlicht sind, nutzen er und seine Mitbewohner:innen Freizeitangebote vor Ort – das von der Physik-Fachschaft organisierte Unikino etwa, oder die von ehemaligen Studierenden betriebene Dorfbar. „Das Studentendorf ist ein lebender Organismus und deshalb wohnen so viele Menschen gerne hier. Wir leben wie in einer Dorfgemeinschaft.“
„Wer gemeinschaftlich wohnt – und das ist das Wichtigste – ist nicht auf sich selbst gestellt“, kommentiert Köhler. „Menschen kommen zusammen, es gibt Aushandlungsprozesse, es geht um Toleranzfragen. Das ist gelebte Demokratie.“ Gerne würde der Geschäftsführer der Studentendorf Adlershof GmbH noch mehr Studierenden diese Erfahrung ermöglichen. Im vergangenen Wintersemester mussten er und seine Mitstreitenden aus Platznot tausende Bewerbungen ablehnen. „Ich würde gerne weitere Stockwerke bauen und wir haben auch noch mehr Projekte für junges Wohnen in Planung.“ Am 22. Juni wird aber erst einmal gefeiert: Dann steigt die Jubiläumsparty zum zehnjährigen Bestehen des Studentendorfes Adlershof.
Nora Lessing für Adlershof Journal