Lichtgestalten
Forscher und Firmen in Adlershof bauen winzige Laserdioden, die zur Tumorbehandlung oder zum Schweißen von Blechen eingesetzt werden
Der Tagesspiegel, 25.02.2004, Sonderthema
Von Thomas de Padova
Wer das Forschungsinstitut betritt, setzt den Fuß zunächst auf den schwarzen Knopf der Schuhsohlenreinigungsmaschine. Dann öffnet sich die Glastür. Und auf dem Weg zu den Labors kommen weitere Bürsten ins Rollen, um den Staub zu beseitigen, den die ein oder andere Baustelle im Wissenschaftspark Adlershof aufgewirbelt und den der Besucher mitgebracht hat. Im Ferdinand-Braun-Institut für Höchstfrequenztechnik putzt man sich so oft die Schuhe wie an kaum einem anderen Ort. Hier bauen Forscher Laser, die selbst so klein sind wie Sandkörner.
Günther Tränkle nimmt einen dieser goldgelben, blitzblanken Laser aus einer Kassette und legt ihn auf seine Fingerkuppe. Der nur einen Millimeter kleine Laser sitzt festgelötet auf einer deutlich größeren Halterung aus Kupfer. Dieser Kupfersockel müsse die Wärme abführen, die der Hochleistungslaser abgibt, erklärt Tränkle, der seit 1996 Direktor des Instituts ist. Die besten solchen Laser erzeugen so viel Licht wie eine 100-Watt-Glühlampe. „Etwa die Hälfte der zugeführten elektrischen Energie verwandelt sich in Laserlicht. Der Rest wird als Wärme frei.“
Ein vergleichsweise kleiner Rest. Der Laser geht außerordentlich sparsam mit Strom um. Eine herkömmliche Glühlampe zum Beispiel setzt lediglich fünf Prozent der elektrischen Energie in Licht um. Und selbst eine Energiesparlampe bringt es nur auf 15 bis 18 Prozent. Man könnte solche Lampen auch als kleine Heizungen bezeichnen.
Der hohe Stromverbrauch ist einer der Gründe dafür, dass die Glühlampe in der Beleuchtung nach und nach ersetzt wird. Bremslichter von Autos, Leuchtanzeigen oder Handydisplays arbeiten heute bereits mit Leuchtdioden (LED) – obwohl diese Lichtquellen bislang noch teuer sind. Sie haben andererseits einen geringen Stromverbrauch, eine sehr lange Lebensdauer und verursachen kaum Wartungskosten.
Wie ein Computer-Chip entsteht auch eine Leuchtdiode auf einer Scheibe, dem Wafer. In einem Reinraumlabor wird diese Unterlage mit Materialschichten bedampft. Filme unterschiedlicher Substanzen schlagen sich auf der Scheibe nieder wie die Feuchtigkeit auf Brillengläsern. Die Abfolge der Schichten ist gerade so gewählt, dass an den Kontaktflächen Elektronen in passende Ladungslöcher stürzen können.
Ein negativ geladenes Elektron und eine positiv geladenes Loch vernichten sich, und die Energie wird in Form von Licht frei. Es ist Licht einer Farbe, die für das Material charakteristisch ist. Leuchtdioden gibt es in Rot, Blau oder Grün. Auf einer Scheibe mit zehn Zentimetern Durchmesser haben viele 10000 von ihnen Platz. Das überschüssige Material zwischen ihnen wird zuvor in einem Ätzbad herausgelöst.
Das Ferdinand-Braun-Institut ist allerdings keine Produktionsstätte für Leuchtdioden. Die Forscher, die hier im Labor mit hellblauen Overalls, weißen Überschuhen und Häubchen herumlaufen, damit ja kein Fussel oder Hautschüppchen auf die Wafer gelangt, stellen stattdessen den Leuchtdioden sehr ähnliche Laserdioden her. In ihnen wird das einmal erzeugte Licht zwischen zwei Spiegeln hin und her geworfen und verstärkt – so lange, bis die Lichtteilchen die Schichtstruktur schließlich gemeinsam als gebündelter, gerichteter Strahl verlassen.
„Solche Laser sind nicht für die Beleuchtung geeignet, sondern für Anwendungen, für die man sehr hohe Lichtintensitäten braucht“, sagt Tränkle. Man kann damit etwa die Netzhaut des Auges bei Netzhautablösung verschweißen oder viele dieser kleinen Laser zu einem Barren zusammenschalten, um Bleche zu schweißen oder zu schneiden. „Selbst in der Raumfahrt kommen Laserdioden aus Adlershof zum Einsatz“, sagt Tränkle. „De facto lösen wir Probleme. Wir bedienen Nischenmärkte und gehen dabei bis zur Kleinserienfertigung.“
Dazu arbeitet das Ferdinand-Braun-Institut, das in Kürze einen schmucken Neubau bezieht, mit vielen Forschungseinrichtungen und Firmen in Adlershof eng zusammen. Thomas Elsässer und seine Kollegen am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie analysieren zum Beispiel, wie man die Laserdioden bauen muss, damit sie möglichst lange halten.
„Das Laserlicht kommt aus einem sehr kleinen Volumen“, sagt Elsässer. „Das Material wird daher sehr heiß.“ Die Wärme fließt über einen Kupfersockel ab, aber dazu muss der Laser auf das Kupfer gelötet werden. Und da liegt das Problem: Nach dem Löten kühlt das Kupfer anders ab als die darüber liegenden Schichten aus Galliumarsenid oder anderen Materialien. Es kommt zu Verspannungen. „Das ist ein banaler, aber unvermeidlicher Effekt,“ sagt Elsässer. In den Labors des Max-Born-Instituts bestrahlen Wissenschaftler die Laserdioden auf einer Werkbank, um ihre Materialeigenschaften zu messen. Sie versuchen herauszubekommen, wie die Verspannungen minimiert werden können.
Denn je mehr Materialdefekte es gibt, desto mehr Licht und Wärme absorbiert die Laserdiode, desto mehr neue Defekte können entstehen. Der Laser zerstört sich schließlich selbst. „Er stirbt den Hitzetod“, sagt Elsässer. Wie die Kühlung der Laserdioden optimiert werden kann, behalten die Hersteller für sich. „Das ist hoch geheim“, sagt der Direktor des Max-Born-Instituts. „ Wir bekommen Materialproben und testen sie.“ Blind. Denn woraus die geschichteten Strukturen bestehen, wissen er und sein Team nicht. „Wir verkaufen nur die Dienstleistung.“
Für sein Institut ist dies ein kleines Betätigungsfeld. Hier arbeiten Forscher vor allem daran, die kürzesten Lasersignale und höchsten Lichtleistungen zu erzeugen, um etwa chemische Prozesse im Detail verfolgen zu können.
„Das Ferdinand-Braun-Institut hat Laser, die Sie sonst auf dem Markt nirgends finden", sagt dagegen Jörg Muchametow. Er hat auf den winzigen Laserdioden eine neue Firma aufgebaut: „Eagleyard Photonics“. Der Geschäftsführer des Unternehmens hat zuvor 20 Jahre Erfahrung in der Industrie gesammelt und ist dann mit seinem Partner in Adlershof eingestiegen. „Wir haben uns zunächst ein Jahr mit dem Forschungsinstitut vertraut gemacht und übernehmen seither die Fertigung der Laserdioden. Wir investieren in zusätzliche Anlagen und Manpower."
Abnehmer hat „Eagleyard Photonics“ inzwischen unter anderem auf dem Gebiet der Tumorbehandlung und der Lungentherapie gefunden oder in der Drucktechnik, wo Druckplatten unmittelbar mit Lasern beleuchtet werden. Die Kunden kommen aus Europa, Japan und den USA. 2003 lag der Umsatz bei 500 000 Euro, in diesem Jahr könnten es 800000 werden. Die Gewinnzone will Muchametow im dritten Jahr erreichen.
„Eagleyard Photonics“ profitiert wie viele Firmen vom einzigartigen Umfeld in Adlershof. Messen wie die „Laser-Optik-Berlin" können helfen, dieses Umfeld und seine Lichtgestalten noch bekannter zu machen.