Lotsen in einem Meer von Möglichkeiten
Berufsperspektiven für Geographen
Die Kontaktstelle Geographische Praxis an der Humboldt-Universität zu Berlin in Adlershof bereitet Studierende auf das Berufsleben vor.
Geographen sind offensichtlich stolz auf den weiten Horizont, den ihre Disziplin eröffnet: „Es ist nichts, was den geschulten Verstand mehr kultiviert und bildet, als Geographie.“ Mit diesem Satz des berühmten Philosophen Immanuel Kant leitet die Kontaktstelle Geographische Praxis die kleine Broschüre ein, in der Studenten sich über praxisorientierte Veranstaltungen am Institut an der Rudower Chaussee informieren können.
Frühzeitiger Kontakt mit der Arbeitswelt
Henning Nuissl weiß aus eigener Erfahrung, dass ein frühzeitiger Kontakt mit der Arbeitswelt wichtig ist in einem Fach, das eine so breite Palette an Vertiefungsmöglichkeiten bietet. Nach einer freiberuflichen Tätigkeit als Stadtplaner, wissenschaftlicher Mitarbeit in außeruniversitären Forschungsinstituten und nach beruflichen Stationen unter anderem in Hamburg, Colchester und Leipzig lehrt und forscht er heute in Berlin. Der 48-Jährige gehört zum sozialwissenschaftlichen Flügel seines Fachs, er forscht zu Städtebau und Raumplanung und den Beziehungen zwischen menschlichem Zusammenleben und der Entwicklung von Ballungsräumen – und über das Verhältnis zwischen Berufspraxis und Theorie: „Es gibt da interessante Wechselbeziehungen, was die Auswahl von Forschungsfragen angeht“, sagt Nuissl.
Geographen können auch ganz andere Richtungen einschlagen: Manche interessieren sich eher für die physikalische Beschaffenheit des Geländes, untersuchen in wetterfester Kleidung die Gesteine an Ausgrabungsstellen. Andere analysieren im Zweig der Geoinformatik räumliche Daten, die Satelliten auf die Erde schicken. Wieder andere befassen sich mit der Planung von Stadtteilen, dem Leben im öffentlichen Raum oder kümmern sich um Klimaschutz. „Die Geographie ist wirklich ein sehr breit aufgestelltes Fach“, fasst es Nuissl zusammen.
Vorträge von Praktikern
Der Professor hat es sich zur Aufgabe gemacht, angehenden Geographen in diesem Meer der Möglichkeiten Orientierung zu verschaffen. Seit 2009 betreibt er die Kontaktstelle Geographische Praxis, eine Hilfskraft seiner Arbeitsgruppe ist vollständig dafür abgestellt. "Wir beraten Studenten bei der Suche eines Praktikumsplatzes, helfen bei Bewerbungen und laden regelmäßig Praktiker zum Vortrag ein", beschreibt Nuissl einige der Angebote. Die Kontaktstelle unterhält eine umfangreiche Datenbank möglicher Praktikumsgeber – und hält auch die Verbindung zu ehemaligen Absolventen.
Einige dieser Ehemaligen hat Nuissl schon eingeladen, in der Ringvorlesung „Berufsperspektiven für GeographInnen“ über ihre Erfahrungen zu berichten. Bei den Studierenden – mehr als 1.000 Geographen studieren am Fachbereich – kommt die mehrmals im Semester stattfindende Veranstaltung gut an. „Die Referenten werden da manchmal ganz schön gelöchert, das geht von konkreten Fragen nach Praktikumsstellen oder Verdienst bis zu Fachfragen.“ Die Vortragenden kommen aus den verschiedensten Bereichen: Ein Mitarbeiter des Mautkonsortiums Toll Collect, der Geschäftsführer einer Klimaschutzinitiative oder für Regionalplanung zuständige Behördenvertreter berichteten bereits aus ihrer Praxis.
Thema Bürgerbeteiligung
Für das kommende Semester hat Nuissl die Vortragsschwerpunkte auch schon in der Schublade. Dann will er Experten aus Verkehr und Logistik, Beratung und Politik sowie Geoinformatik einladen. Im nächsten Frühjahr wird unter anderem das bundesweit viel diskutierte Thema Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten auf der Agenda stehen. Die Studenten haben bei der Spezialisierung die Qual der Wahl, ihre Perspektiven schätzt Nuissl positiv ein: „Auch wenn die Arbeitgeber vielleicht nicht sofort Schlange stehen: Einen Job zu finden, ist nicht so schwer.“
Von Claudia Wessling für Adlershof Journal