Masterplan Industriestadt Berlin hat Start-ups im Blick
Britta Teipel von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe spricht im Interview über ihre Visionen zur Re-Industrialisierung der Hauptstadt
Britta Teipel ist Gruppenleiterin für Industriepolitik/Smart City in der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Sie treibt mit ihrem Team den Masterplan Industriestadt Berlin voran – und arbeitet dabei eng mit dem Netzwerk Industriepolitik Berlin zusammen. Im Interview erläutert sie die Ziele des Masterplans, ihre Visionen für die Re-Industrialisierung der Hauptstadt und die Rolle, die sie Start-ups dabei zutraut.
Was verbirgt sich hinter dem Masterplan Industriestadt Berlin?
Berlin war Anfang des 20. Jahrhunderts ein führender Industriestandort mit industriellen Zentren unter anderem in Siemensstadt, Schöneweide, in Wedding und in Moabit. An diese industrielle Tradition möchten wir mit dem Masterplan anknüpfen – wobei es darum geht, dass sich eine urban verträgliche Industrie in die vorhandenen Infrastrukturen einfügt. Mittlerweile werden auch große Industrieunternehmen wieder auf den Standort Berlin aufmerksam. Sie sehen die Hochschullandschaft, die Dichte an Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen und die äußerst lebendige Start-up-Szene. Große Campusprojekte von Siemens sowie von Schindler zeugen davon, dass Berlin in global ausgeschriebenen Standortwettbewerben mehr als nur mithalten kann. Mit dem Masterplan möchten wir die positiven Standortfaktoren weiter stärken, damit Berlin noch attraktiver für industrielle Neuansiedlungen wird.
Auf Ihren Webseiten ist vom Masterplan Berlin 2018-2021 die Rede. Ist die Projektphase nicht abgeschlossen?
Tatsächlich starteten die Masterplanaktivitäten schon 2010. Was als politische Absichtserklärung begann, hat sich in den Folgejahren zum konkreten Umsetzungsplan mit vielfältigen Themenclustern entwickelt, den unser Haus in der angebrochenen Legislaturperiode fortführen wird. Es geht weniger um rauchende Schlote als um Hightech. Wir treiben die Aktivitäten gemeinsam mit Kammern, Fachverbänden, Gewerkschaften, Fördereinrichtungen des Landes und anderen Fachverwaltungen voran, die im Netzwerk Industriepolitik Berlin zusammengeschlossen sind. Aus der übergreifenden Strategie folgten konkrete Maßnahmen, für die in den letzten Jahren jeweils eine halbe Million Euro Budget verfügbar war: Wir haben u.a. Projekte aus Universitäten und Fachhochschulen gefördert, um Lücken zwischen den bestehenden Fördermaßnahmen zu schließen. Wir verstehen den Masterplan als Plattform für den Austausch der industriepolitisch relevanten Akteure unserer Stadt – der durchaus kontrovers sein kann. So haben Digital- und Industrieverbände auf das Thema Digitalisierung eine andere Perspektive als Gewerkschaften. Für eine erfolgreiche Umsetzung ist es aber wichtig, diese unterschiedlichen Perspektiven auszutauschen und einfließen zu lassen.
Eines der Themencluster des Masterplans widmet sich der Vernetzung von Start-ups und Industrie. Was hat es damit auf sich?
Hier sind vor allem die fortlaufenden Kooperationen zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen im IAM-Hub im Marienpark zu nennen, wo sich mittlerweile ein Treffpunkt der Berliner 3D-Druckszene gebildet hat. Im Zentrum steht das Netzwerk „Mobility goes Additive“, in dem unter anderen die Deutsche Bahn mit Start-ups an Lösungen rund um Additive Fertigungsverfahren arbeitet. Aus diesem Kern soll sich perspektivisch ein Verbund Additive Manufacturing Berlin-Brandenburg entwickeln. Es geht uns mit der Vernetzungsinitiative darum, Kerne zu bilden, in denen sich Start-ups mit Hochschulen und Unternehmen zusammentun. Wir haben auch Projekte im Bereich der Medizintechnik begleitet und unter anderen Accelerator-Progamme, wie Adlershof sie aufsetzt, im Blick. Idealerweise entwickeln die Akteure in solchen Kooperationen neue technologische Ansätze zu tragfähigen industriellen Strukturen weiter. Dafür braucht es Anlaufpunkte in der Stadt und im Land Brandenburg, deren Bildung wir gezielt unterstützen. Es geht darum, Formate, Testfelder und physische Orte für Kooperationen von Industrie und Start-ups zu schaffen …
… um Saatkörner für die Cluster der Zukunft zu pflanzen?
Im Idealfall entwickeln sich neue Cluster. Im 3D-Druck oder im Holzbau deuten sich erste clusterähnliche Strukturen an. Förderpolitisch ist es alles andere als trivial, derart langfristige Entwicklungen zu begleiten. Auch wenn das natürlich das Ziel sein muss. Cluster entstehen, wo sich unterschiedliche Akteure der Wertschöpfungskette mit Hochschulen und Forschungsinstituten vernetzen und lokale Wertschöpfung initiieren.
Wofür genau können die Akteure Fördergelder bekommen?
Wir fördern Programme, Plattformen und Veranstaltungen, die Start-ups und etablierte Industrieunternehmen auf einer niederschwelligen Ebene zusammenbringen. Berlin Partner hat diverse Matchmaking-Formate ins Leben gerufen, um den Austausch beider Welten zu fördern. Denn bevor sie Projektpläne schmieden, sollten potenzielle Partner offen darüber reden, welche Möglichkeiten und Hemmnisse einer solchen Kooperation sie sehen. Rund um das Vertragsrecht, das geistige Eigentum und die spätere Vermarktung gemeinsamer Entwicklungen gibt es zahlreiche Stolperfallen, die vorab geklärt sein wollen. Gelingt die Zusammenarbeit, dann profitieren allen Seiten. Start-ups brauchen Kunden und müssen ihre Ideen an den konkreten Anforderungen des industriellen Alltags ausrichten, um ihr Geschäftsmodell zukunftsfest zu machen. Etablierte Unternehmen brauchen innovativen Input, um ihre Stellung im Markt zu behaupten und auszubauen. Berlin braucht lokale Wertschöpfung und unternehmerische Innovationen, um den Herausforderungen im Klima- und Ressourcenschutz, in der Gesundheitsversorgung einer alternden Gesellschaft oder der nachhaltigen Mobilitätswende gerecht werden zu können. Wir müssen auch als Fachverwaltungen noch enger zusammenrücken – und die Kräfte aller Akteure in der Stadt bündeln, um auf die Phase der De-Industrialisierung eine nachhaltige und gesunde Re-Industrialisierung Berlins folgen zu lassen. Der Masterplan und die Einbindung von Start-ups sind wichtige Treiber, um diese Zielsetzung zu erreichen. Auch Gründungszentren wie das CHIC sind wichtig. Es bedarf in den Bezirken klarer Anlaufstellen, an denen sich eine innovative junge Unternehmerschaft treffen kann – und die ihnen die nötige Infrastruktur für den erfolgreichen Aufbau ihrer Unternehmen bieten. Berlin ist eine Stadt der kurzen Wege, der vielen Hochschulzentren und längst ein Magnet für Talente aus aller Welt. Diese Voraussetzungen wollen wir gemeinsam in Zukunftschancen ummünzen. Start-ups sind herzlich eingeladen, sich an diesem Prozess zu beteiligen.
Das Interview führte Peter Trechow für CHIC!
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