Neues DFG-Projekt zu neuromorphen Anwendungen ferroelektrischer Schichten
Forschende am IKZ untersuchen den Zusammenhang zwischen strukturellen und elektrischen Veränderungen beim Schalten von ferroelektrischen Schichten
Ferroelektrische Schichten werden für eine Vielzahl von technologischen Anwendungen, wie zum Beispiel nicht-flüchtige Speicherbausteine oder ferroelektrische Feldeffekttransistoren (FeFETs), eingesetzt. Dabei nutzt man ihre Eigenschaft aus, dass sie eine permanente elektrische Polarisation aufweisen, die sich durch das Anlegen eines äußeren elektrischen Feldes umkehren lässt. Der mikroskopische Schaltmechanismus hängt indessen von den ferroelektrischen Eigenschaften der Schichten, der Struktur und Kinetik der Domänen bzw. Domänenwände und den elektrostatischen Randbedingungen ab. So kann man etwa durch das Hinzufügen einer nur wenige Nanometer dünnen dielektrischen Schicht zwischen dem Ferroelektrikum und der Elektrode einen ferroelektrischen Tunnelübergang (FTJ) erzeugen, der für „neuromorphes Computing“ eine große Rolle spielen könnte. Die Verwendung von etwas dickeren dielektrischen Schichten ermöglicht dagegen die Ausnutzung des negativen Kapazitätseffekts (NC) und ist für Bauelemente mit extrem niedriger Leistung interessant. Die ferroelektrischen Eigenschaften sowie die Domänenbildung in den Schichten sind dagegen sehr von der Struktur und Phasensymmetrie der Schichten abhängig. Diese lassen sich gezielt durch das Einbringen einer Gitterverspannung in den Schichten einstellen („Strain Engineering“). Bis heute sind die zugrundeliegenden Schaltprozesse nicht vollständig verstanden.
Daher soll innerhalb des von der DFG geförderten Projektes FeDiBiS (Polarization Switching Kinetics in Ferroelectric/Dielectric Bi-Layer Structures) der fundamentale Zusammenhang zwischen strukturellen und elektrischen Veränderungen beim gezielten Schalten von ferroelektrischen Schichten untersucht werden. Dafür werden bleifreie, ferroelektrische Kalium-Natrium-Niobat-Schichten epitaktisch auf IKZ-eigenen Oxidsubstraten abgeschieden, um eine gewünschte Gitterverspannung in den Schichten einzustellen und damit die ferroelektrische Polarisation sowie die ferroelektrischen Domänen in den Schichten gezielt zu verändern.
Um die notwendige hohe strukturelle Perfektion bei den Schichten zu erreichen wird die metallorganische Gasphasenepitaxie (MOVPE) eingesetzt. Der entscheidende Vorteil dieser Methode ist das Wachstum nahe dem thermodynamischen Gleichgewicht, was die Abscheidung von nahezu perfekt stöchiometrischen, einkristallinen Schichten mit einem sehr regelmäßigen Domänenmuster (siehe Abb.1) ermöglicht.
Neben der strukturellen und elektrischen Charakterisierung der Schichten sind Operando-Untersuchungen an den Schichten geplant. Mittels Nanosonden-Röntgenbeugung, die gleichzeitig mit elektrischen Messungen durchgeführt wird, soll damit die Kinetik des Polarisationsschaltens zerstörungsfrei am Realsystem beleuchtet werden. Diese äußerst anspruchsvollen Messungen sind nur an modernen Synchrotronstrahlungsquellen mit fokussierten Röntgenstrahlen im Bereich von 100 Nanometern möglich.
Das Vorhaben stellt ein gemeinsames Projekt der beiden Sektionen „Dünne Oxidschichten“ und „Experimentelle Charakterisierung“ des IKZ sowie dem NaMLab in Dresden dar und startet im Mai 2021. Die Arbeiten finden auch im Rahmen des EFRE (Europäische Fonds für Regionale Entwicklung) Applikationslabor „Materialien für die Oxidelektronik“ statt.
Weitere Informationen:
Jutta Schwarzkopf
Sektion Dünne Oxidschichten
Leibniz-Institut für Kristallzüchtung im Forschungsverbund Berlin e.V.
Tel. +49 30 6392-3053
E-Mail: jutta.schwarzkopf(at)ikz-berlin.de
Pressemitteilung IKZ vom 13.04.2021