Schneller und billiger als beim Maßschneider
In der automatischen Messkabine der Berlin Adlershofer GFaI werden sekundenschnell alle wichtigen Daten für die individuelle Maßkonfektion ermittelt
Berliner Informatiker nehmen mit „BodyFit 3D“ Maß vorrangig für deutsche Konfektionsfirmen: Die Adlershofer GFaI Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e. V. stellt jetzt den serienreifen Prototyp einer Kunden-Messkabine vor, in der innerhalb weniger Sekunden alle erforderlichen Daten für Maßbekleidungen („Schneidermaße“) mit Hilfe von gewöhnlichem Weißlicht ermittelt werden können. Für das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt wurde ein spezielles dreidimensionales Messverfahren zur berührungslosen und automatischen Erfassung individueller Körpermaße und -proportionen sowie von Haltungsbesonderheiten entwickelt.
„Unsere Aufgabe bestand darin, für die individuelle Maßkonfektion eine kostengünstige und gegenüber der Handmessung deutlich exaktere, effizientere und objektivere Lösung für das optische Bestimmen der Körpermaße bei Frauen und Männern zu finden“, erläutert Projektleiter Niels Heuwold. So setzen die GFaI-Spezialisten in ihrer Kundenkabine zwei handelsübliche digitale Industriekameras und einen gewöhnlichen Digitalprojektor ein. Aufwändig sei aber die Entwicklung der notwendigen Computersoftware zur exakten Erfassung und Auswertung der Daten gewesen, sagt der Photogrammetrie-Experte.
In der acht Quadratmeter großen und über zwei Meter hohen Kabine nimmt der nur mit seiner Unterwäsche bekleidete Kunde vor einer Lichtwand kurzzeitig vier verschiedene Positionen ein, die mittels Bildschirmanimation sowie Sprachausgabe vorgeschrieben und gegebenenfalls korrigiert werden. Innerhalb einer halben Sekunde laufen dann jeweils zwei Messphasen ab: Nach Erkennen von Körpergröße und markanten Konturpunkten (2D-Konturerfassung) mittels schneller Bildauswertung werden Lichtmuster genau an die zu vermessenden Bereiche projiziert und deren Abbildungen im Computer ausgewertet. Dabei werden aus rund 5000 dreidimensionalen Punkten die von der Bekleidungsindustrie geforderten Körperparameter, Kurven und Maße berechnet. Letztlich steht nach insgesamt etwa nur 90 Sekunden ein auf 35 relevante und mehrfach berechnete Maße reduziertes Abbild des Körpers zur Verfügung. Auch herkömmlich nicht messbare Parameter wie Winkel und Durchmesser werden ermittelt. Diese Daten können wahlweise ausgedruckt, via Datennetz an die Produktion übermittelt oder auf einer Chipkarte gespeichert werden.
Laut Heuwold wird damit weltweit erstmals eine Messmethode als Kombination von Kontur- und Lichtschnittverfahren angewendet. „Für BodyFit 3D nutzen wir preiswerte Standard-Hardware. Wir mussten deshalb jedoch eine sehr komplexe Software entwickeln.“ Dies gelang unter Einbindung der höheren Mathematik, konkretere Details möchte der Projektleiter und Ideengeber nicht nennen. Seinen Angaben zufolge wird die Messkabine etwa nur die Hälfte des Preises internationaler Konkurrenzprodukte kosten. Zudem laufe der Mess- und Auswertungsprozess bedeutend schneller als bei Wettbewerbern ab, was mit geringeren Belastungen seitens der Kunden verbunden sei. Die erfassten Körpermaße sind vorbereitet für eine automatisierte Weiterverarbeitung in der Bekleidungsproduktion.
Anwender sollen nach den Worten Heuwolds mittelständische Firmen werden, die individuelle Maßkonfektion „im Preis knapp oberhalb der Standardware“ anbieten wollen sowie auch größere deutsche Unternehmen mit Produktionsstätten im In- und Ausland. „Dadurch, dass BodyFit 3D auch zur Größenbestimmung bei Kleidung von der Stange genutzt werden kann, werden die Einsatzmöglichkeiten noch erheblich größer“, wirbt der gelernte Diplomgeodät für die GFaI-Entwicklung. Dort wurden und werden 3D-Verfahren u.a. für die Fertigung von Zahnersatz sowie das Keramikbeschichten von Sanitärartikeln entwickelt, beides bereits mit Erfolg in der Praxis angewendete Innovationen.
Die Gesellschaft sucht für ihre jüngste Technologielösung derzeit bundesweit nach und verhandelt mit professionellen Vermarktungspartnern. Eine Berliner Firma hat die Prototyp-Messkabine gefertigt, an der in Adlershof weiter gearbeitet wird. Künftig soll sie bis zu 100 unterschiedliche Maße liefern, mobil sein und das sich bewegende Abbild des Kunden auf den Bildschirm zaubern - zur Kontrolle mit seiner neuen Kleidung natürlich.
Kontakt
Nils Heuwold
GFaI Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e. V.
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