Teurer Abschied von Illusionen
Beim Umsteuern der städtischen Entwicklungsgebiete hat Adlershof die besten Chancen
von Bettina Erdmann
Die Welt, 31.12.2003
Berlins schillernde Immobilienhoffnungen sind mit dem Haushaltsplan 2004/05 wie Seifenblasen geplatzt. Für fünf öffentliche Großbaustellen gibt es kein frisches Geld mehr, sie laufen vorzeitig aus.
Die Anfang der 90er Jahre unter der Verheißung permanenten Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums aufgelegen städtischen Entwicklungsgebiete "Wasserstadt Oberhavel", "Rummelsburger Bucht", "Eldenaer Straße/Alter Schlachthof", "Biesdorf-Süd" und "Adlershof" haben kräftig zum finanziellen Desaster des Landes beigetragen; sie werden aufgehoben. 680 Mio. Euro Verluste könnten bis zum vorzeitigen Ende 2006 in der Negativbilanz stehen, schätzt der Senat.
Die Pläne waren ehrgeizig - aber wohl auch überzogen: Bis 2010 sollten 31 300 Wohnungen - davon 70 Prozent öffentlich gefördert - und 4,2 Mio. qm Gewerbefläche gebaut werden. Tatsächlich sind bislang 6500 Wohnungen und 950 000 qm Gewerbefläche fertig geworden, dazu im Vorgriff teure neue Straßen, Brücken, Wege und öffentliche Einrichtungen. Da sich Investoren rar machten, blieb vieles im Ansatz stecken. Bei später - Kritiker meinen allzu später - Abkehr von der Fiktion gigantischen Interesses an hauptstädtischen Immobilien soll einiges gerettet werden. Dafür müsse jetzt schonungslose Ehrlichkeit und Effizienz walten. "Wir haben jedes einzelne Gebiet unter die Lupe genommen und bewertet. Teilgebiete ohne absehbare Vermarktungschancen werden aus dem Entwicklungsrecht entlassen," erklärt Staatssekretärin Ingeborg Junge-Reyer von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Dieses Umsteuern reduziere die noch notwendigen Zuschüsse an die Entwicklungsträger zur Deckung der Defizite um 75 Prozent auf 172 Mio. Euro. "Die Entwicklung wird nicht abgebrochen, sondern auf Kernbereiche reduziert. Auf Vorrat wird nichts mehr gebaut."
Adlershof werden unter den fünf Entwicklungsgebieten noch die besten Anpassungschancen eingeräumt. Ab Jahresbeginn geht dieser Job vom Entwicklungsträger Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft (BAAG) auf die neue, erfolgsabhängig arbeitende Adlershof Projekt GmbH (APG) über, eine Tochter der am Standort etablierten landeseigenen Wista Management GmbH.
Die Wahrscheinlichkeit, den in den nächsten drei Jahren noch fließenden Entwicklungsgeldern von 85 Mio. Euro Erlöse aus Grundstücksverkäufen in Höhe von 28 Mio. Euro entgegen zu setzen, sei hoch, zeigt sich der neue APG Geschäftsführer, Gerhard Steindorf, zuversichtlich. Verkaufsprojekte von über 140 000 qm steckten derzeit in der Pipeline. Ein indischer Multi-Konzern habe Investitionen in Höhe von mehreren hundert Mio. Euro in Aussicht gestellt. Das Studio Berlin wolle seine Fernsehprojekte weiter ausbauen.
Worum andere mühsam ringen, Adlershof hat es bereits: ein Profil. Nach über einem Jahrzehnt Entwicklungsarbeit hat auf dem ehemaligen Gelände des DDR-Fernsehens und der Akademie der Wissenschaften die inzwischen auch international wahrgenommene "Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien" Gestalt angenommen. Da in das Gesamtprojekt bereits 1,2 Mrd. Euro investiert und über die Hälfte des Weges zurückgelegt seien, werde das Konzept "jetzt nicht verwässert", erklärt Wista-Sprecher Uwe Strunk. "Nur die Pläne, einen Wohnstandort mit Blockbebauung zu errichten, sind angesichts riesiger Leerstände obsolet." Doch Eigenheimbauer können sich of-fensichtlich mit der Idee anfreunden, am Landschaftspark zu siedeln. Über 30 Grundstücke zu durchschnittlich 125 Euro/qm seien bereits verkauft.