Unsichtbare Lichtblitze entfachen Nano-Feuerwerk
Erkenntnisse von MBI-Forschern eröffnen neuartige Möglichkeiten für Laser-Grundlagenforschung und -Anwendung
Ein Team von Wissenschaftlern des Max-Born-Institutes Berlin und der Universität Rostock hat einen neuartigen Weg gefunden, transparente Nanoteilchen schlagartig undurchsichtig zu machen und mit Laserlicht blitzschnell aufzuheizen. Ihre Ergebnisse könnten ungeahnte Möglichkeiten für Medizin und Technik eröffnen.
Intensive Lichtpulse können transparentes Material in ein Plasma verwandeln, das die Lichtenergie anschließend sehr effizient einfängt. Die Wissenschaftler aus Berlin und Rostock konnten diesen Prozess nun extrem präzise kontrollieren. Sie verwendeten dazu einen Trick, der medizinische Methoden und die Herstellung von Nanomaterialien wesentlich vereinfachen könnte. Das Zusammentreffen von Licht und Materie wurde von einem Team von Physikern vom Max-Born-Institut für nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) in Berlin und vom Institut für Physik der Universität Rostock erforscht.
Die Wissenschaftler untersuchten die Wechselwirkung intensiver nah-infraroter (NIR) Laserblitze mit winzigen, nur wenige Nanometer großen Teilchen aus einigen Tausend Argonatomen – so genannten Atomclustern. Das sichtbare NIR-Licht allein kann ein Plasma nur dann erzeugen, wenn seine elektromagnetischen Lichtwellen so stark sind, dass es einzelne Atome in Elektronen und Ionen zerreißt (ionisiert). Die Forscher konnten diese Zündungsschwelle austricksen, indem sie die Cluster mit einem zweiten, deutlich schwächeren und für das menschliche Auge unsichtbaren Femtosekunden-Lichtblitz im extrem-ultravioleten Spektralbereich bestrahlten (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde).
Mit diesem Trick konnten die Forscher den Energieeinfang auch für unerwartet schwaches sichtbares Laserlicht "anschalten" und beobachteten ein Nano-Feuerwerk, bei dem Elektronen, Ionen und farbiges Fluoreszenzlicht von den Clustern in verschiedene Richtungen ausgesandt wurden (Abb. 1). Ihre Ergebnisse eröffnen neuartige Möglichkeiten für Grundlagenforschung und Anwendung und wurden in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.
Die Experimente wurden am Max-Born-Institut an einer 12 m langen Apparatur für die Erzeugung Hoher-Harmonischer (HH) durchgeführt. "Die Beobachtung, dass Argoncluster selbst bei moderater Lichtintensität stark ionisiert werden, war sehr überraschend" (Abb. 2), erklärt Dr. Bernd Schütte vom MBI, der das Experimente konzipiert und durchgeführt hat. "Obwohl der zusätzliche XUV Lichtblitz sehr schwach ist, ist seine Anwesenheit entscheidend: ohne den XUV Zündungspuls blieben die Nanopartikel unverändert und transparent für das sichtbare Licht."
Wissenschaftler um Prof. Thomas Fennel von der Universität Rostock konnten das Geheimnis der Synergie der beiden Lichtblitze durch numerische Computersimulationen lüften. Sie fanden heraus, dass die Bereitstellung einiger weniger Elektronen genügt, um einen Prozess ähnlich zu einer Schneelawine im Gebirge in Gang zu setzen. Diese "Keimelektronen" werden durch die ionisierende XUV Strahlung erzeugt, anschließend durch das sichtbare Licht aufgeheizt und schlagen weitere Elektronen aus benachbarten Atomen heraus. "Bei dieser Lawine wächst die Zahl freier Elektronen in dem Nanopartikel exponentiell", erklärt Prof. Fennel. "Letztlich heizen sich die Partikel so stark auf, dass hochgeladene Ionen erzeugt werden können."
Das neuartige Konzept der mit XUV Licht gezündeten Ionisationslawine macht es möglich, die Starkfeldionisation von Nanoteilchen und möglicherweise auch Feststoffen räumlich und zeitlich extrem präzise zu kontrollieren. Dadurch sollte es möglich sein, die Ionisation von Nanoteilchen auf der Zeitspanne von Attosekunden zu beobachten – einer unvorstellbar kurzen Zeit. Eine Attosekunde verhält sich zu einer Sekunde, wie eine Sekunde zum Alter des Universums.
Die Wissenschaftler erwarten, dass die Zündungsmethode bei vielen transparenten Materialien wie Glas oder Plastik eingesetzt werden kann. Das macht dieses Konzept für die Herstellung von Nanostrukturen besonders interessant. Der Vorteil ergibt sich aus den Eigenschaften der XUV Lichtblitze, die auf eine viel kleinere Fläche fokussiert werden können und so eine höhere Präzision erlauben. Gleichzeitig erhöht sich im Vergleich zu gängigen Verfahren die Effizienz, da sichtbare NIR Pulse mit viel geringerer Intensität ausreichend sind, um das Material stark aufzuheizen. Daraus könnten zukünftig neue Methoden für Nanolithografie und Nanomedizin entstehen.
Abb. 1: Nano-Feuerwerk in einem Argon-Nanopartikel wird von einem unsichtbaren XUV-Laserpuls mit moderater Intensität entzündet. Ein darauffolgender sichtbarer Laserpuls heizt den Nanopartikel sehr effizient auf, was zu seiner Explosion führt. Elektronen und Ionen bewegen sich in unterschiedliche Richtungen und senden Floureszenzlicht in verschiedenen Farben aus. Ohne Zündung durch den XUV-Puls bliebe der Nanopartikel intakt.
Abb. 2: Ionen-Ladungsspektren gemessen in Argon-Nanopartikeln. Mit dem XUV-Zündungspuls allein werden nur einige wenige einfach geladene Ionen beobachtet (schwarzes Spektrum). Durch einen zusätzlichen NIR-Heizungspuls werden hochgeladene Ionen bis zu Ar8+ erzeugt. Der Heizungspuls allein erzeugt keine Ionen.
Originalpublikation:Physical Review Letters 116, 033001
"Ionization Avalanching in Clusters Ignited by Extreme-Ultraviolet Driven Seed Electrons"
Bernd Schütte, Mathias Arbeiter, Alexandre Mermillod-Blondin, Marc J. J. Vrakking, Arnaud Rouzée, Thomas Fennel, DOI: 10.1103/PhysRevLett.116.033001
Kontakt
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Dr. Bernd Schütte
E-Mail: schuette(at)mbi-berlin.de