Wie willkommen sind ausländische Fachkräfte in Deutschland wirklich?
Eine persönliche Bilanz nach zehn Jahren im Land von Goethe, Einstein und Mercedes – Essay von Olga Aktas
Erlauben Sie mir eine kurze Vorstellung. Mein Name ist Olga Aktas und daran erkennen Sie schon den sogenannten Migrationshintergrund. Mein Vorname ist russisch, mein Nachname ist türkisch und meine Gedankenwelt und Wertevorstellungen sind definitiv deutsch. So eine Mischung aus kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten ist keine Seltenheit für zugewanderte Menschen.
Heute nehme ich Sie mit auf eine Reise durch zehn Jahre meines Lebens in meinem neuen Heimatland. Unser erster Stopp ist Leipzig oder wie die Sachsen sagen: LEIPZSCH. Hier habe ich zwei sehr wichtige Sachen über Deutschland erfahren. Erstens, dass das Deutsch, das ich in der Schule gelernt habe, und das, das in Sachsen gesprochen wird, nicht viel miteinander zu tun haben. Die zweite Erkenntnis lag darin, dass in Deutschland für fast alles ein Formular und ein Termin in irgendeiner Behörde nötig ist.
Als Neuankömmling musste ich viele Sachen kurzfristig erledigen: eine Wohnung finden und anmelden, eine Krankenversicherung abschließen, ein Bankkonto eröffnen, einen Hausarzt finden und vieles mehr. Stellen Sie sich vor, Sie kommen mit rudimentären Sprachkenntnissen in ein Land und treffen direkt auf das „Behörden-Deutsch-Monster“. Um ihm näher zu kommen, müssen Sie innerhalb von kurzer Zeit Termine vereinbaren können, während es mit solchen Vokabeln wie Nebenkostenabrechnung, Wohnungsgeberbestätigung oder Krankenversicherungsbeiträge nach Ihnen wirft. Als wäre das nicht schlimm genug, gibt es ständig neue Rätsel zu lösen, wie z. B. folgendes: Ich muss die Gebühr beim Bürgeramt für eine Wohnungsanmeldung mit einer EC-Karte bezahlen, aber ich besitze keine, da ich für die Eröffnung eines Bankkontos eine Meldebescheinigung brauche. Sie können nur verlieren …
Unsere nächste Station ist Berlin. Hier lebe und arbeite ich schon seit vielen Jahren. Denken Sie auch, dass Berlin ein Paradies für ausländische Fachkräfte ist? Glauben Sie mir, der Anschein trügt. Besonders für Familien mit Kindern ist diese Stadt ein harter Brocken. Abgesehen von der Wohnungssituation, die in jeder Metropole angespannt ist, sind die fehlenden Kitaplätze eine doppelte Herausforderung für ausländische Fachkräfte.
Kinder sind wegen der Chancengleichheit dringend darauf angewiesen, die deutsche Sprache im Kindergarten zu erlernen, weil sie sonst gewaltige Defizite haben, wenn sie in die Schule gehen. Die Sprache ist also der Schlüssel zur Integration sowie zum Erfolg in Deutschland. Diese Erkenntnis hat mich dazu bewogen, nach dem Master in Medienwissenschaften einen weiteren Master in Deutsch als Fremd- und Fachsprache zu studieren. Ich wollte verstehen, wie man den Lernenden Deutsch effizient beibringt.
Mit der Zeit kamen mehr russischsprachige Neuankömmlinge nach Berlin und durch Mundpropaganda fanden sie mich und stellten mir immer wieder die gleichen Fragen: Wie finde ich eine Wohnung? Was mache ich, wenn ich krank werde? Kannst du mir helfen, den Hortantrag auszufüllen? So kam ich noch während des Studiums auf die Idee, Sprache und Integration in einem digitalen Tool zu vereinen, und gründete das Unternehmen Open Deutsch.
Ich finde, dass Deutschland noch einen langen Weg in Sachen Willkommenskultur vor sich hat. Es gibt einige Verbesserungen in einer schnellen Aufnahme und Sprachförderung von beispielsweise Geflüchteten, wohingegen Erwerbsmigrant:innen immer noch mehr oder weniger auf sich allein gestellt sind. Aus meiner Sicht müssen deutsche Arbeitgeber:innen verstehen, dass sie keine Fachkräfte, sondern Menschen mit ihren Bedürfnissen und Sorgen ins Land holen und dafür mitverantwortlich sind, dass sie sich wohl fühlen. Gleichzeitig ist es die Aufgabe der Neuankömmlinge, die Sprache zu lernen und sich auf die deutsche Kultur einzulassen.
Olga Aktas ist die Gründerin und Geschäftsführerin von Open Deutsch, einer Plattform für Sprache, Integration und faire Vermittlung von internationalen Fachkräften.