Zukünftig wird Landwirtschaft im Schrank betrieben
Lite&Fog will den Pflanzenanbau nachhaltiger und effizienter machen. So können Nahrungsmittel „on demand“ produziert werden, ebenso Wirkstoffe für Medizin und Kosmetik.
Von Ferne sieht es aus wie eine grüne Säule in einer Vitrine. Tatsächlich sind es Salatpflanzen, die über die gesamte Länge aus einem dicken runden Textilschlauch in alle Himmelsrichtungen wachsen. Von wegen „der Sonne entgegen“, die Pflänzchen recken sich nach LEDs. Martin Peter öffnet die Tür des Schränkchens, etwas Nebel schlägt ihm entgegen. Dann zippt er den Reißverschluss des Textils auf, wo noch viel mehr Nebel wabert und nach außen drängt.
„Das ist eine Nährlösung, die per Ultraschall vernebelt wird und die Wurzeln versorgt“, sagt er. Erde braucht es in der Pflanzenzucht der Zukunft keine mehr, ebenso wenig Pestizide. Dank des abgeschlossenen Systems werden 95 Prozent Wasser im Vergleich zu herkömmlichem Anbau gespart, sagt Peter. „Die Erträge sind bis zu 400-mal so hoch.“ Die Idee kam ihm, als er sich mit Urban Farming beschäftigte. „Dort, wo der Boden schlecht ist und wenig Platz vorhanden, gab es meistens einen vertikalen Aufbau, bei dem im Grunde Gewächshaustische gestapelt werden“, erzählt er. Doch das erwies sich als teuer und technisch anfällig.
Peter entwickelte ein Modul, in dem Licht und feiner Wasserdampf das Pflanzenwachstum befördern – was im Firmennamen „Lite&Fog“ erkennbar ist. Im vergangenen Jahr schließlich war der Prototyp fertig. Mit dem Konzept gewann das Unternehmen unter anderem einen Wettbewerb zur sicheren Nahrungsmittelproduktion in Katar. Im trocken-heißen Wüstenklima wächst kaum etwas, weshalb es bessere Konzepte braucht, um die Bevölkerung mit frischem Gemüse zu versorgen.
„Vor dieser Aufgabe stehen auch andere Metropolen, beispielsweise Singapur“, sagt Peter. „Mit unserem Fogponic-System können auf sehr geringer Fläche hohe Erträge erzielt werden, bis zu zwölf Ernten im Jahr, gleichzeitig sind die Transportwege sehr kurz.“ Aktuell werden die „Salat-Vitrinen“ am Firmensitz im Zukunftsort CleanTech Marzahn optimiert. „Die Umgebung ist für uns als junges Unternehmen sehr hilfreich“, sagt der Mitgründer des Unternehmens. Geräte wie Drucker und Laserscanner oder eine Metallwerkstatt sind in der Nähe und müssen nicht gleich angeschafft werden. Hinzu kommt Unterstützung durch die Förderbank des Landes Berlin IBB. „Wir bauen Hardware, das ist kostenintensiver als Software und für Investoren weniger attraktiv“, sagt Peter.
Er ist überzeugt, dass sich der Weg lohnt. Deutsche Kompetenz im Maschinenbau sei international gefragt, wie er auch von weiteren Kunden weiß. Sie kommen aus Israel und Großbritannien und sind im „Molecular Farming“ aktiv. So bezeichnen Fachleute eine Form der Biotechnologie: Hier werden Pflanzen genetisch verändert, um bestimmte Stoffe zu erzeugen, wie Impfstoffe, Antikörper oder sogenannte Wachstumsfaktoren. Diese können Stammzellen dazu bringen, Muskelgewebe zu bilden, was für die aufstrebende Branche der „Laborfleisch“-Produktion essenziell ist. Mögen Gentechnik und Fleischersatz aus dem Reaktor hierzulande noch vielfach kritisch gesehen werden, in anderen Regionen stehen die Menschen dem wesentlich aufgeschlossener gegenüber. Für Lite&Fog entsteht dort ein großer Markt.
In Marzahn wachsen derzeit Tabakpflanzen ihrer Kunden, die Moleküle im Wert von Millionen Euro hervorbringen können. Wie beim Salat wollen Martin Peter und seine fünf Mitarbeitenden das System weiter optimieren, um die Pflanzen zu besten Erträgen zu bringen. Parallel dazu soll durch das Zusammenführen mehrerer Module der Output erhöht werden. Unterm Strich, so der Gründer, sei der Energiebedarf für Fogponic trotz Kunstlicht und Automatisierung geringer als im herkömmlichen Pflanzenbau, da kein Traktor mehr fahren müsse, die Transportwege verkürzt werden und weniger verderbe, da „on demand“ erzeugt wird.
In einigen Jahren, so seine Vision, setzt sich die Hightech-Anbauform auch bei hiesigen Landwirtinnen und Landwirten immer weiter durch. „Viele haben eigene Energiequellen wie Solarflächen oder Biogasanlagen, die billigen Strom liefern“, erläutert er. Da das Lite&Fog-Konzept kaum Platz erfordert, können die Bäuer:innen ihre Flächen anderweitig nutzen. „Zum Beispiel für naturnahe Landwirtschaft oder zur klimafreundlichen Aufforstung.“
In den Stallgebäuden stünden nicht länger Schweine und Rinder dicht an dicht, sondern Fogponic-Module, die Gemüse für nahe Konsumenten oder Wirkstoffe für die Biotech- und Kosmetikindustrie liefern.
Ralf Nestler für POTENZIAL
Lite&Fog - fogponic farming solutions (liteandfog.com)