Die Zwillinge der Zukunftsorte
Digitale Plattform führt Standortdaten zusammen
An elf Zukunftsorten mit über 2.200 Unternehmen und 42 wissenschaftlichen Einrichtungen gestalten 62.000 Beschäftigte die technologische Zukunft Berlins. Der Technologiepark Adlershof und der Innovationscampus Dahlem (FUBIC) gehören ebenso dazu wie der Campus Charlottenburg mit dem Charlottenburger Innovationszentrum (CHIC) und der CleanTech Business Park Marzahn. Unter der sichtbaren Oberfläche läuft für diese vier Standorte ein eigenes, digitales Zukunftsprojekt.
Das muss Adlershof sein! Der unverkennbare Elektronenspeicherring BESSY II verrät es ebenso wie die Namensgeber der Straßen: Einstein, Kekulé, Rutherford oder Planck. Berlins klügster Kiez ist als 3D-Modell auf Evelyn Cimanders Notebook abgebildet. Und dieses digitale Modell hat es in sich.
Cimander ist gemeinsam mit Christoph Böttger für innovative Infrastrukturprojekte beim Technolgieparkkümmerer WISTA Management GmbH verantwortlich. Das 3D-Modell gehört unbedingt dazu: Es handelt sich quasi um den Rohbau eines digitalen Zwillings von Adlershof.
Beim Mausklick auf eines der WISTA-eigenen Gebäude erscheinen übersichtlich aufbereitete Betriebsdaten. Energieverbräuche aufgeschlüsselt nach Strom und Wärme, verursachte Emissionen als CO2-Äquivalente und Verbräuche von weiteren Betriebsstoffen. Vieles davon sind reale Werte, die fortlaufend aktualisiert werden: Das Modell wird von digitalen Zählern in den Gebäuden mit Daten gefüttert. Teilweise geschieht das im Viertelstundentakt, teils in größeren Zeitabständen nach manuellen Ablesungen und teils auch mithilfe von Betriebskostenabrechnungen. „Wichtig ist erst einmal, dass wir mit dem digitalen Zwilling eine Plattform haben, auf der alle relevanten Daten zusammenfließen“, erklären sie.
Welche weiteren Daten relevant werden, wird sich zeigen. Denn der digitale Zwilling ist klar als ein Zukunftsprojekt angelegt. Denkbar ist, künftig auch Daten von Umweltsensoren einfließen zu lassen, Daten von ansässigen Firmen und Hochschulinstituten oder auch Verkehrsdaten und Informationen über Points of Interest (POI) im Quartier. Zur Analyse der gesammelten Daten ist außerdem künstliche Intelligenz im Einsatz. Mit der Zeit wird sich das Modell immer weiter der Realität annähern. Und das nicht nur in Adlershof – mehrere WISTA-Standorte werden digital nachgebaut. Je besser ihre Zwillinge mit Daten gefüttert werden, desto klarer werden die Standortbetreiber sehen, wie sich die Quartiere entwickeln, wie sich Änderungen im Verbrauchsmanagement oder Effizienzmaßnahmen auswirken – oder ob Verkehrsprojekte erwünschte Erfolge zeigen. Die Informationen sollen zügig verfügbar sein. „Beim vorwiegend fossilen Energiemix ging es vor allem um Verbrauchssenkung“, erläutert Böttger, „aber je weiter der Anteil erneuerbarer Energien steigt, desto wichtiger wird es, den Verbrauch intelligent und möglichst echtzeitnah zu managen, damit wir Energie nutzen, wenn sie verfügbar ist.“
Beim Aufbau der Plattform setzt die WISTA auf Know-how der jungen Berliner urban energy GmbH und deren Software ZeroC. Sie liefert die nötige digitale Infrastruktur, um Zähler und Sensoren anzubinden – und so die fortlaufende Fütterung des Zwillings mit Energie- und Umweltdaten zu gewährleisten. Es ist die Basis, um in Dashboards den aktuellen Status quo einzelner Gebäude und ganzer Zukunftsorte sichtbar zu machen, vertiefende Bedarfsanalysen anzustellen und diese in Simulationen durchzuspielen. Die Wirksamkeit von Modernisierungen und Effizienzmaßnahmen wird sich besser abschätzen lassen. Und nicht zuletzt wird es deutlich einfacher, sogenannte ESG- (Environmental, Social, Governance) Reports zu erstellen. Bislang kostete das Zusammensammeln der zugrundeliegenden Daten aus verschiedensten Datensilos viel Zeit. „Auf der Plattform führen wir die getrennten Daten zusammen“, sagt Cimander. Auch wenn der Aufbau zeitaufwendig und kompliziert sei, erwarten sie und Böttger auf lange Sicht klare Vorteile: „Wir versprechen uns im WISTA-Bestand und für neue Projekte mehr Klarheit.“ Auf Basis der digitalen Plattformen werde es einfacher, unterschiedliche Szenarien und deren jeweilige Auswirkung auf die Betriebskosten, Emissionen oder Verkehrsströme durchzuspielen – und mit realistischeren Einschätzungen an neue Projekte heranzugehen.
Peter Trechow für Adlershof Journal