Schlägt Effizienz Resilienz – oder vice versa?
Ein Interview mit Roland Sillmann, CEO, und Bessie Fischer-Bohn, Personalleiterin der WISTA Management GmbH
“Resiliente Systeme sind gut. Sind sie aber nicht auch effizient, haben sie wirtschaftlich kurzfristig einen Nachteil”, sagt Roland Sillmann. “Dasselbe gilt in der Gesellschaft”, findet Bessie Fischer-Bohn. Sie sagt: “Erst eine resiliente Gesellschaft kann auch effizient sein”.
Wie bedingen sich Resilienz und Effizienz – psychologisch und wirtschaftlich? Schlägt in der Wirtschaft Effizienz Resilienz? Oder ist es vice versa: Also, ist Resilienz The Next Big Thing? Wie Deutschland aufgestellt ist – insbesondere der Technologiepark Adlershof, darüber spricht Despina Borelidis mit Roland Sillmann, CEO und Bessie Fischer-Bohn, Personalleiterin der WISTA Management GmbH.
Frau Fischer-Bohn, Herr Sillmann, Sie sind beide schon viele Jahre in der Wirtschaft unterwegs und tragen viel Verantwortung: Welche Bedeutung hat Effizienz für Sie?
Roland Sillmann: Effizienz bedeutet, einen großen Effekt mit einem Minimum an Ressourcen zu erzielen – egal ob die Ressourcen dabei Fachkräfte, Geld oder Zeit sind. Effizienz ist deswegen auch grundsätzlich in vielen Lebensformen extrem erstrebenswert – nicht nur in der Wirtschaft.
Bessie Fischer-Bohn: Aus meiner Sicht ist Effizienz die Basis aller Wirtschaftsschulen des letzten Jahrhunderts. Ich verbinde Effizienz mit den großen Managementschulen und der Betriebswirtschaftslehre: möglichst effizient zu managen, möglichst wenig zu verschwenden. Gegipfelt hat dieser Ansatz im Total Quality Management.
Welche Rolle spielt Effizienz in Ihrem Alltag? Stichworte: Zeit, Wege, Geld: Lässt sich auch privat das Maximale mit dem Minimalen erreichen?
BFB: Eltern zu sein, ist eine gute Schule, darum sind Eltern häufig auch gut im Arbeitsleben. Und gerade wenn man in der Wirtschaft tätig ist, ist es natürlich verlockend, Effizienz auch aufs Privatleben zu übertragen. Aber die Formel geht nicht auf, es gibt alle möglichen Störfaktoren.
Herr Sillmann, Sie nicken?
RS: Ja, wird Zeit als Ressource betrachtet, dann muss ich sehr effizient sein. Auch im Privaten: Ich muss Abläufe optimieren, um wiederum Zeit zu gewinnen. Im Japanischen bezeichnet man die Art der kostenverursachenden Verschwendung von Ressourcen als “Muda”. Eben diese Verschwendung zu minimieren, ist Ziel der Wirtschaft. Und das ist auch richtig. Die Frage ist nur: Welches Ziel will man erreichen? Ist es ein kurzfristiger Erfolg? Oder handelt es sich um langfristige Ziele? Bei zuletzt genanntem muss Resilienz dazugehören.
Es scheint, Resilienz ist seit einer Weile “The Next Big Thing” – ob wirtschaftlich oder psychologisch betrachtet. Genauer habe ich von diesem Trend in einem Interview mit einem Zukunftsforscher erfahren. Das war zum Ausbruch der Pandemie 2019. Seit wann beschäftigt Sie das Thema?
RS: Auch in etwa seit 2019. Als die Corona-Krise begann, stellte ich mir die Frage, was ich nun als Standort-Manager tun sollte. Denn Menschen wie gehabt zusammenzubringen, sie zu vernetzen, das funktionierte ja nicht mehr. Ich erkundigte mich bei der Wissenschaft und fand heraus: Die wichtigste Management-Aufgabe in solchen Situationen ist, Zuversicht zu verbreiten. Davon geht die Resilienzforschung seit den 1970er Jahren aus: Wird Zuversicht verbreitet, schafft man es eher durch eine solche Lage. Zuversicht macht Systeme also resilient.
Das ist interessant, denn wir haben alle beobachten können, welchen Effekt die Pandemie auf unsere Gesellschaft hatte. Frau Fischer-Bohn, wie schauen Sie als Psychotherapeutin auf den Komplex “Krise und Resilienz”?
BFB: Als Psychotherapeutin betrachte ich Resilienz einerseits gesamtgesellschaftlich, andererseits bezogen auf das Einzelindividuum. Konkrete Fragestellungen sind: “Wie erziehe ich resiliente Kinder?” oder “Wie kann ich resiliente Erwachsene fördern?”. Es gibt hier verschiedene Ansätze. Einer ist Selbstwirksamkeit: Wenn Menschen lernen, dass sie durch ihr Handeln etwas verändern können, dann ist Selbstwirksamkeit – zusätzlich zur Zuversicht, die Roland eben nannte – ein wichtiger Baustein für Resilienz. Menschen erkennen dann, dass sie Krisen nicht einfach so ausgeliefert sind. Denn sie können ja Einfluss nehmen.
Und welche Fragen stellen Sie gesamtgesellschaftlich?
BFB: Mit der Pandemie ist es wesentlicher geworden zu überlegen: “Wie können wir gesamtgesellschaftlich eine andere Verbundenheit schaffen?” Weg von der Ich-Zentriertheit, von der effizienten Selbstoptimierung und Ellbogengesellschaft, hin zu mehr “Wir”, mehr Gemeinschaft, mehr gesellschaftlichen Themen und Zielen, die dann jede:r Einzelne für sich selbst herunterbricht. Für mich war das ein interessanter Wendepunkt während der Pandemie, der mich auch positiv überrascht hat.
Sie führten es gerade an und sicher ist es auch für viele Eltern interessant: Wie erzieht man denn resiliente Kinder?
BFB: Auf keinen Fall als Helikopter-Eltern – das wäre praktisch der Gegenpol. Resiliente Kinder erzieht man, indem man ihnen Herausforderungen gibt, ihnen etwas zutraut. Damit können sie sich selbst beweisen. Denn um etwas zu tun, das erstmal Zögern und Angst auslöst, müssen Kinder Mut aufbringen, raus aus der Komfortzone. Erst dann können sie auch etwas schaffen. Diese Atmosphäre sollte man als Eltern kreieren – natürlich mit Bedacht, wie viel man den Kindern auch zutrauen kann, generell sollten sie aber gefordert werden. Und unangenehme Dinge muss man dann auch passieren lassen. Denn erst so merken Kinder, dass die Welt davon nicht untergeht. Dass es weitergeht, dass sie einen Weg finden. Ihre Umgebung, ihre Familie ist ja weiterhin da. Sie werden sich bewusst, dass sie ein geschütztes Umfeld haben, in dem sie sich weiterentwickeln können.
Können Sie Beispiele aus der Wissenschaft nennen?
BFB: Ja, ein Beispiel ist die Langzeitstudie der Wissenschaftlerin Emmy Werner auf der Insel Kauai. Seit den 1950er Jahren wurden dort 700 Kinder über 40 Jahre begleitet. Und es stellte sich heraus: Ein Drittel der Kinder, die in schwierigen oder ärmeren Familienverhältnissen aufwuchsen, waren hinterher dennoch erfolgreich. Warum? Weil sie einfach gut mit Krisen umgehen konnten. Das ist auch das Phänomen, was wir von ArbeiterKind.de kennen: Kinder, die aus Arbeiterfamilien kommen und dann eine Karriere machen, sind im Unternehmen häufig deutlich flexibler, belastbarer und offener für Wendungen. Das spricht für die Resilienz, die sie vielleicht in ihrer Kindheit und Jugend erworben haben.
Herr Sillmann, wie sehen Sie das: Können auch Erwachsene noch lernen, resilienter zu sein?
RS: Ich denke, wir können immer dazulernen. Die Frage ist: Haben wir genug Selbstvertrauen, die Gewissheit, dass wir mit herausfordernden Situationen umgehen können? Das Ideale ist – und da stimme ich Bessie voll zu – wenn man bereits eine schwierige Situation hatte und die erfolgreich gemeistert hat. Dann wird man auch mit der nächsten Herausforderung gut umgehen können.
Lässt sich diese Erkenntnis 1:1 auf die Wirtschaft übertragen?
RS: Ich denke, ja.Denn so war es auch hier am Standort: Zu Beginn der Corona-Phase fanden 75 % der Firmen, es stünde gut oder gleichbleibend um ihre Zukunftsperspektive. Und das, obwohl es tatsächlich eine wirtschaftliche Eintrübung gab. Heute, wo wir von den Auswirkungen des Krieges und Rohstoffknappheiten betroffen sind, ist die Zukunftsperspektive der meisten Firmen aber viel positiver. Das heißt: Aus der Erfahrung der Pandemie und dem Meistern einer Krise – wir verzeichneten hier sogar ein Rekordwachstum – können sich die Unternehmen mit Selbstbewusstsein der nächsten Krise stellen.
Heißt das im Umkehrschluss: Nur Krisen machen resilient? Und nur Wohlstand effizient?
RS: Das halte ich insgesamt für eine zu krasse Verallgemeinerung. Ich glaube, man kann durch Bewusstmachung und aus der Erfahrung anderer lernen und resilient werden. Wenn das auch schwieriger ist, denn Menschen lernen oft, wenn Unangenehmes überwunden wurde. Aber Krisen regen zum Denken und Hinterfragen an. Der Antrieb, etwas zu verändern, ist dann größer. Diese Herleitung funktioniert aber auch über Logik. Ob Effizienz nur in guten Zeiten gelingt: Ich glaube, sie lässt sich dann am besten aufbauen und führen. Denn oftmals benötigt man zuerst den Erfolg, um sich dann auch ein resilientes, langfristig erfolgreiches System zu überlegen. Dazu muss man aber erstmal “den Flieger in die Luft bringen”. Und das gelingt mit einem effizienten System. In dieser Phase ist dann auch die Frage angebracht, wie ein Switch auf ein nachhaltiges, dauerhaft resilientes System vollzogen werden kann.
BFB: Ich denke, übertragen auf einen Unternehmenszyklus versuchen Unternehmen ihre Ressourcen möglichst effizient einzusetzen und gute Prozesse zu haben – klar. Aber im Moment ändert sich die Führungs- und Unternehmensphilosophie. Auch die Bewertung durch Banken, Finanzierer, Venture Capitalists ändert sich aktuell: Unternehmen werden gezwungen, resiliente Strategien miteinzubeziehen – möglichst viele Informationen und Stakeholder, um den anvisierten Erfolg auch zu sichern. Das ist die Verknüpfung. Ich habe dazu ein schönes Bild gesehen: Während Unternehmen früher eher abgeschottete Systeme waren, entwickeln sie sich zunehmend zu offenen Häfen, die sich durch Flexibilität und Kontinuität resilient machen.
Um das Bild des Fliegers in der Luft nochmal aufzugreifen: Herr Sillmann, Deutschland befand sich so gesehen eine ganze Weile in der Luft – gefördert durch billiges, russisches Gas. Die Zeiten des Wohlstands haben aber offensichtlich keine Vorbereitungen in Richtung Resilienz ausgelöst. Wohl eher hat Deutschland eine Bauchlandung hingelegt und musste dann in kürzester Zeit umdenken, neue Prozesse anstoßen, um seine Versorgung zu sichern.
RS: Das Gas, das wir aus Russland bekamen, war ein guter Motor für viele Branchen. Und sehr bequem – so ist es auch der Einkauf medizinischer Wirkstoffe aus Asien. Das alles war aber nicht immer so: Dieses System begann, nachdem der Eiserne Vorhang fiel, seit 1990. Deutschland ließ sich fortan mit russischem Gas beliefern und begann auch verstärkt, Produkte aus Asien zu kaufen. Und das System funktionierte. Warum? Weil Wettbewerber weltweit auf Effizienz setzten. So wurden der Welthandel und der Just-in-time-Anspruch forciert. Hier sieht man klar: Man brauchte Effizienz, um den Flieger abheben zu lassen. Aber der Trend, der aktuell passiert, verfolgt einen anderen Ansatz, nämlich von Anfang an resiliente Systeme aufzubauen. Das ist gut und auch gesund so.
BFB: Wir hatten über die letzten Jahrzehnte einen lange andauernden Aufwärtstrend, der jetzt eine Delle bekommen hat. Es wird viel infrage gestellt. Für die neuen Generationen ist das sicher auch positiv. Denn die Themen, die sie schon länger versuchen anzustoßen, bekommen jetzt eine neue Relevanz. Beispiel globales Sourcing: Wie abhängig wir von Asien sind, haben uns unterbrochene Lieferketten klar vor Augen geführt. Vor gar nicht so langer Zeit war beispielsweise Fiebersaft – ein Basic in der Kindermedizin – hier ausverkauft. Deutsche Apotheker:innen mussten ihn selbst herstellen und haben sich dabei an alte Fähigkeiten erinnert. Wie abhängig wir uns machen, selbst von grundsätzlicher Medizin, hat ein Umdenken angestoßen. Es findet eine große Konsumwende statt: hin zu mehr Regionalität, was Produktion, Einkauf und weitere Themen betrifft. Was also wirtschaftlich die Rahmenbedingungen verändert, das hat auch einen gesellschaftlichen Effekt.
Sie sind der Meinung, nur eine resiliente Gesellschaft kann auch effizient sein. Können Sie das aufschlüsseln?
BFB: Ich denke, dass Effizienz Kraft und Durchhaltevermögen braucht. Dafür ist wiederum ein gewisses Fundament nötig. Will man auf einem hohen Niveau effizient sein, dann muss man zuerst resilient sein.
Bedeutet: Wirtschaftlich gesehen muss schon die kleinste Zelle widerstandsfähig sein, damit ganze Wirtschaftsstandorte gesund und effizient sein können, oder? Wie können Unternehmen das konkret erreichen?
BFB: Ja, ich denke: Sind Menschen resilient, dann können sie auch beste Leistung erbringen. Hier hat ein Wandel stattgefunden: Unternehmen, die sich einen optimierten Output wünschen – also Mitarbeiter:innen, die möglichst erfolgreich arbeiten – die setzen auch in erster Linie auf eine resiliente Unternehmenskultur. Darin sind Werte wie Vielfalt und Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleistet. Alle Mitarbeiter:innen werden gut eingebunden. Alle bringen sich so ein, wie sie sind: mit ihren Stärken und Schwächen. Das sorgt für psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz, das macht Menschen stark und resilient. Sie können sich dann auch gegen Widerstände durchsetzen, sich schwierige Situationen zutrauen und vieles mehr.
RS: Eine wichtige Komponente sehe ich im Lernen und der Weiterbildung. Es scheint zwar kurzfristig nicht effizient zu sein, denn Mitarbeitende zu Fortbildungen zu entsenden, bedeutet auch: Sie fehlen am Arbeitsplatz. Aber für den langfristigen Erfolg, für die dauerhafte Stabilität eines Unternehmens ist es wichtig, Persönlichkeiten und Kompetenzen weiterzuentwickeln.
Guter Punkt: Was kostet Unternehmen denn Effizienz? Was Resilienz? Und was ist teurer?
RS: Das ist relativ einfach zu beantworten: Wenn ein Unternehmen nur auf Effizienz ausgerichtet ist, dann wird Effizienz früher oder später auch zur Falle und zwangsläufig zum Untergang des Unternehmens führen. Denn – das haben uns die letzten Jahre gezeigt – dass die Krise kommt, ist nur eine Frage der Zeit. Grundsätzlich ist also klar: Sofern Unternehmen ausschließlich auf Effizienz ausgelegt sind, dann wird es sie ihre Existenz kosten. Resilienz wiederum kann Unternehmen – sofern ihr wirtschaftliches Umfeld extrem auf Effizienz getrimmt ist – ihre Wettbewerbsfähigkeit kosten. Genau an dieser Stelle müssen Unternehmen gegen arbeiten. Wie? Indem sie auf Vielfalt setzen, einzigartige Technologien entwickeln, super Teams beschäftigen und Disruptives nach vorne bringen. Für Deutschland bedeutet das: Wir müssen nicht billige, sondern bessere Produkte und Dienstleistungen entwickeln.
… und auf Synergien setzen, wie Sie eingangs auch sagten, Frau Fischer-Bohn. Das findet auch der Zukunftsforscher Christian Schuldt. Er schrieb kürzlich im Handelsjournal: “Resiliente Unternehmen zielen auf langfristiges Überleben statt auf kurzfristigen Gewinn. Sie denken in Netzwerken und Ökosystemen statt in Egosystemen. Sie agieren ganzheitlich und systemisch [...].” Warum das Ganze? “Um eine positive Wirkung auf die Welt zu erzeugen.” Schuldt schließt mit dem Satz: “Im Zentrum dieses historischen Wandels steht ein zyklisches Wirtschaftsverständnis, das Unternehmen als das betrachtet, was sie im Kern sind: soziale Systeme.”
BFB: Ich sehe das genauso. Bricht man das auf die einzelnen Personen herunter, dann bedeutet dieser Ansatz einen großen Wandel im Wertesystem der Gesellschaft: weg von der Ich-Zentriertheit, wieder hin zu einem Wir, einer Gemeinschaft. Nicht die eigene Optimierung, die eigene Effizienz oder das eigene Unternehmen stehen dann im Fokus, sondern die Welt. Das ist natürlich ein sehr groß gemaltes Bild. Aber wir beobachten, dass die kommende Generation, die auf den Arbeitsmarkt drängt, ihre eigene Rolle im Kontext sinnvoller Arbeit hinterfragt und für sich auch Unternehmen wählt, die diese Themen priorisieren.
RS: Übertragen auf Adlershof sehe ich vieles von Schuldts Zitat erfüllt: Wir sind ein System aus vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die Synergien bilden, die gut zusammenarbeiten und dadurch maximale Flexibilität haben. Auch haben die Unternehmen eine Mission: Sie entwickeln Lösungen gegen den Klimawandel und die Ressourcenknappheit. Dadurch schaffen sie es auch, Talente anzuziehen. Selbst bei Krisen bleiben sie erfolgreich, manche wachsen sogar! In den letzten beiden Jahren sind wir in Adlershof um 30 Prozent gewachsen – und das eben durch diese Synergien, durch diese Flexibilität und die Mission, Impact zu erzielen.
Dies wissend: Wo würden Sie Deutschland im “FM Global Resilience Index 2023” einstufen? Wie resilient sind wir im globalen Kontext?
RS: Auf jeden Fall unter den Top 10.
Genau, sogar D-A-C-H ist aktuell unter den Top 10 – mit Deutschland auf dem vierten, der Schweiz auf dem fünften und Österreich auf dem zehnten Platz. Weitere Länder sind Dänemark auf Platz 1, gefolgt von Singapur und Luxemburg. Auch Teile der USA, Schweden und Finnland sind dabei. Vergleichsweise ist die Türkei auf Platz 49 und Haiti auf dem letzten (130).
RS: Dänemark überrascht nicht: Von der Flexibilität, der Gelassenheit und Zuversicht Dänemarks kann Deutschland viel lernen.
Es stellt sich die Frage, wie wir Systeme schaffen, in denen Resilienz und Effizienz koexistieren können. Denn, mit Blick nach China, beobachten wir, dass verstärkt auf Hocheffizienz gesetzt wird. In Deutschland liegen dagegen Vier-Tage-Woche, hybrides Arbeiten und sinnstiftende Aufgaben im Trend. Schmälert das nicht unsere Effizienz?
RS: Es gibt Produkte und Dienstleistungen, die im Grunde jeder anbieten kann, der verstärkt auf Effizienz setzt – also schnell und kostengünstig herstellt. Dafür bedarf es nicht viel Know-how. Genau solche Produkte ergeben für uns in Deutschland keinen Sinn.
Was wir in Deutschland gut können, sind Produkte, in denen viel Wissen steckt. Bei denen es darum geht, ganz unterschiedliche Charaktere zusammenzubringen, Vielfalt zu managen, um Ideen zu entwickeln. Hier habe ich gar keine Bedenken gegenüber China, denn Vielfalt managen können wir auf jeden Fall besser.
BFB: Ich denke, wir sollten auf unsere Stärken setzen. Auch das ist eine Frage der Resilienz – ob Einzelperson oder Unternehmen. Wir sollten uns fragen: Worin bin ich wirklich gut? Was ist mein USP?
RS: Unser USP ist, hochtechnologische Lösungen für die wirklich komplizierten Probleme zu entwickeln. Deswegen: keine Angst vor Ländern wie China. Wenn wir unseren Weg gut weitergehen – also auf die Themen Vielfalt und Kreativität, Hochtechnologie, Impact-Orientierung und Sinnhaftigkeit setzen, dann werden wir darin erfolgreich sein.
BFB: Und eben aus dieser Erkenntnis, dass komplexe Technologien unser USP sind, sollten wir auch verstärkt auf Auszubildende und Student:innen mit technischem Knowhow setzen.
Insgesamt klingt das alles sehr positiv und zuversichtlich. Halten Sie es ähnlich wie Kanzler Scholz? Er sagte kürzlich: “Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren geschehen.” Gehen Sie da mit?
RS: Ich würde mich grundsätzlich darüber freuen, wobei man dazu auch sagen muss: Es ist nicht das einzige erstrebenswerte Ziel, Wachstum zu erzielen. Natürlich werden wir Investitionen und damit auch Antrieb in den genannten Bereichen bekommen. Ich denke aber, dass wir die Wachstumsraten aus den 1950er und 1960er nicht erreichen werden. Denn im Gegensatz zu damals – als wir eine massive Zuwanderung hatten, die uns extrem geholfen hat – haben wir heute nicht genügend Arbeitskräfte. Das ist ein Faktor, der dieses extreme Wachstum ausbremsen wird. Aber: Wir müssen es nicht haben, wir brauchen es auch nicht. Es geht Deutschland grundsätzlich gut. Was wir brauchen ist ein System, in dem wir grundsätzlich darauf aus sind, dass alle Menschen möglichst glücklich und zufrieden sind, dass es Wohlstand gibt.
BFB: Da stimme ich zu: Wachstum und Umsatz sind nicht alles. Und Effizienz nicht der Schlüssel. Sollte es aber zu einem extremen Wirtschaftswachstum kommen, dann würde ich mir für Deutschland wünschen, es für eine resiliente und zukunftsfähige Gesellschaft zu nutzen, in der alle Menschen miteinbezogen werden.
Vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Despina Borelidis.
Kontakt:
Roland Sillmann
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Bessie Fischer-Bohn
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