15 Jahre „Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“
Mit Wissenschaft Geld verdienen / Der lange Weg zum Erfolg
Vor 15 Jahren, am 12. März 1991, fällte eine Konferenz Berliner Staatssekretäre eine zukunftsweisende Entscheidung, nämlich in Adlershof eine „integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft“ aufzubauen. Adlershof war damals ein Ort, der seine Geschichte hinter sich zu haben schien. Die DDR hatte sich aus der deutschen Geschichte verabschiedet, ihre Akademie der Wissenschaften stand vor der Auflösung - und damit deren Adlershofer Institute einschließlich ihrer 5.500 zumeist hoch qualifizierten Mitarbeiter.
Aber 1991 ging es nicht nur darum, für die einstigen Akademie-Institute eine Lösung zu finden. Es ging auch um den Aufbau neuer Wirtschaftsstrukturen. Schon damals stand fest, dass dies im unmittelbaren Umfeld der Wissenschaft geschehen muss.
Heute ist Berlin Adlershof einer der erfolgreichsten Hochtechnologiestandorte Deutschlands. Auf einer Fläche von 4,2 Quadratkilometern ist ein integrierter Wissenschafts-, Wirtschafts- und Medienstandort entstanden, eingebettet in ein städtebauliches Gesamtkonzept. Kern ist ein Wissenschafts- und Technologiepark mit 400 Unternehmen, zwölf außeruniversitären wissenschaftlichen Instituten und sechs naturwissenschaftlichen Instituten der Humboldt-Universität zu Berlin. Hier arbeiten heute 6.200 Menschen - mehr Menschen als zu DDR-Zeiten. Hinzu kommen noch 6.300 Studenten.
In unmittelbarer Nachbarschaft des Technologieparks hat sich außerdem Berlins bedeutendster Medienstandort mit 124 Unternehmen etabliert. Hinzu kommt ein Ensemble aus Gewerbe- und Wohnquartieren, Läden, Hotels, Restaurants und einem 66 ha großen Landschaftspark (mit weiteren 171 Unternehmen und Einrichtungen). Insgesamt arbeiten in der Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien rund 12.000 Menschen.
Adlershof ist ein politisch gewolltes Projekt, das von einem breiten politischen Konsens getragen wird. Für die deutsche Hauptstadt ging es 1991 nicht nur um die Rettung wissenschaftlichen Erbes, sondern auch um die Schaffung eines neuen ökonomischen Fundaments, um Synergien von Wissenschaft und Wirtschaft, um die Entwicklung einer Campus-Kultur. Es ging und geht um Wissenschafts- und Wirtschaftspolitik, um Stadtentwicklungspolitik, um Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Der Weg dorthin war allerdings nicht leicht zu bewältigen - wie überhaupt die Geschichte von Adlershof reich an Facetten und vor allem an Zäsuren ist.
Die Vorgeschichte
Die Geschichte Adlershofs begann nicht erst 1991. Auch geht es nicht um die Geschichte des Ortsteils Adlershof, dessen Geburtsstunde am 14. April 1754 schlug. Vielmehr geht es um ein Terrain zwischen der Görlitzer Bahn und dem Teltowkanal. 1909 ging dort Deutschlands erster Motorflughafen (unter dem Namen Johannisthal) in Betrieb. Albatros, Fokker, Rumpler und die Gebrüder Wright machten Johannistal bzw. Adlershof berühmt. 1912 etablierte sich am Rand des Flugfeldes die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL). Sie baute Labore, Motorenprüfstände, Windkanäle und Hangars. Im "Dritten Reich" stand die DVL im Dienst der Luftrüstung. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg demontierte die sowjetische Siegermacht die Einrichtungen und legte den Flugplatz still.
Doch Adlershof überlebte, dank neuer Aufgaben und Funktionen. Drei Institutionen bestimmten bis 1989 das Geschehen links und rechts der Rudower Chaussee:
- Der Deutsche Fernsehfunk bzw. das Fernsehen der DDR schrieben hier ein Kapitel deutscher Mediengeschichte, nicht nur wegen des berüchtigten "Schwarzen Kanals", sondern auch, weil das Fernsehen 1989/90 zu den Wegbereitern der Demokratie im zweiten deutschen Staat zählte.
- Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war weniger auf Publizität bedacht. Es hatte sich eines beträchtlichen Teils des Terrains bemächtigt und stationierte dort sein Wachregiment "Feliks Dzierzynski".
- Und es kam die Akademie der Wissenschaften (AdW). Sie verstand sich nicht nur als Gelehrtengesellschaft, sondern als Träger zahlreicher Forschungsinstitute. Neun davon kamen nach Adlershof. Eine Besonderheit war das Zentrum für den wissenschaftlichen Gerätebau mit seinen rund 1 700 Mitarbeitern. Aufgrund von Exportrestriktionen und Devisenmangel mussten in der DDR ein Großteil der für die Forschung benötigten Geräte selbst entwickelt und produziert werden.
Die Forscher an den Akademieinstituten arbeitete eng mit der Industrie zusammen. Sie pflegten aber auch weltweite Beziehungen - so gut es ging. Ihre Arbeitsbedingungen waren nicht immer leicht. Politische Einwirkungen, strukturelle Mängel der Planwirtschaft beeinflussten ihre Tätigkeit. Dennoch kamen aus Adlershof international anerkannte Ergebnisse, etwa bei den Ultrakurzimpuls-Lasern, der zeitaufgelösten optischen Spektroskopie oder in der Weltraumdiagnostik.
Die Zäsur
Im Herbst 1989 arbeiteten in der Akademie der Wissenschaften der DDR insgesamt 24 000 Menschen, 5.500 davon in Adlershof. Über die Hälfte der naturwissenschaftlichen Forschung war dort konzentriert. Die Wiedervereinigung brachte für den Standort die wohl schärfste Zäsur. Das Wachregiment wurde aufgelöst, das Schicksal der Akademie und des DDR-Fernsehens besiegelte der Einigungsvertrag, der den Beitritt des zweiten deutschen Staates zur Bundesrepublik Deutschland regelt. Beide Institute passten nicht in die föderative, öffentlich-rechtliche Medien- und Wissenschaftslandschaft der Bundesrepublik Deutschland. Alternativen standen nicht zur Debatte.
Seit Oktober 1990 wurden die Forschungseinrichtungen der Akademie vom Wissenschaftsrat, dem höchsten deutschen Beratungsorgan auf diesem Feld, einem Begutachtungsmarathon unterzogen. Mitte 1991 war ein "erhaltenswertes Potenzial" von etwa 1 500 ehemaligen Akademie-Beschäftigten ermittelt worden, die in neue Forschungsstrukturen überführt werden sollten. Für die Mehrzahl der anderen konnte der Wissenschaftsrat nur die Empfehlung geben, sich einen neuen Job zu suchen oder eine innovative Firmen zu gründen.
Neuaufbau beginnt
Das Gelände der Akademie fiel 1990 in die Zuständigkeit Berlins - keine leichte Aufgabe für den wiedervereinigten Stadtstaat, der sich nun daran machte, gemeinsam mit dem Bund die Empfehlungen des Wissenschaftsrates umzusetzen. Sowohl im West- als auch im Ostteil der Stadt gab und gibt es zwar hoch entwickelte Forschungslandschaften, jedoch fehlte beiden Stadthälften die industrielle Substanz. Der Westen musste den Wegfall von Subventionen und Zuschüssen verkraften, der Osten den massiven Abbau seiner Industrie.
Für einen wirtschaftlichen Wiederaufbau Berlins bot sich das wissenschaftliche Potenzial der Stadt an, vor allem dort, wo es anwendungsnahe Forschung gab, wie in den Adlershofer Akademie-Instituten.
Am 12. März 1991 beschloss eine Runde weitsichtiger Berliner Staatssekretäre, auf dem Adlershofer Gelände eine "integrierte Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft" zu errichten. Der Schwerpunkt sollte auf der Wirtschaft liegen, denn so konnten Fördermittel nach Adlershof gelenkt werden. Die gemeinsame Nutzung von Apparaturen sollte Synergien schaffen, die direkte Nähe von Forschung und Industrie die Umsetzung der Forschungsergebnisse in fertige Produkte beschleunigen. Man hoffte auf das Engagement großer Konzerne wie Sony, IBM oder Daimler-Benz.
Insgesamt acht der heute zwölf in Adlershof ansässigen Institute waren Anfang 1992 aus der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR herausgelöst und in die bundesdeutsche Forschungslandschaft überführt worden. Sie setzten unter neuer Trägerschaft (beispielsweise durch die Max-Planck-Gesellschaft oder die so genannte Blaue Liste) ihre Tätigkeit fort oder schlossen sich großen Forschungseinrichtungen an. Einen wichtigen Impuls verlieh die Entscheidung, in Adlershof einen neuen Elektronenspeicherring für Synchrotronstrahlung (BESSY II) zu errichten. Ingesamt hatten Bund und Land bis 2001 Bauinvestitionen für die Adlershofer Forschungsinstitute in Höhe von rund 230 Millionen Euro getätigt. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind inzwischen wiederholt evaluiert und für gut bis exzellent befunden worden, ihre Leistungen werden international anerkannt.
Weichenstellungen
Im September 1991 gründete das Land Berlin die Entwicklungsgesellschaft Adlershof mbH (EGA), aus der 1994 die WISTA-MANAGEMENT GMBH hervorging. Das Unternehmen sorgte anfänglich dafür, den Betrieb und die Versorgung der Adlershofer Unternehmen und Forschungseinrichtungen aufrechtzuerhalten. Später standen die Sanierung der technischen Infrastruktur sowie des erhaltenswerten Altgebäudebestandes und große Bauvorhaben im Vordergrund. All dies geschah bei laufendem Betrieb. Es wurden 33 Kilometer Straßen angelegt, 200 Gebäude waren in ihrer Bausubstanz so beschädigt, dass sie abgerissen werden mussten.
Zur Ansiedlung innovativer Firmen wurden auf dem Gelände moderne Fachzentren errichtet, teils in sanierten Altbauten, teils in Neubauten mit spektakulärer Architektur. Den Anfang machte 1991 das Innovations- und Gründer-Zentrum (IGZ). Es folgten Zentren für Photonik und Optische Technologien, für Umwelt, Bio- und Energietechnologie, für Informations- und Medientechnologie, für Material- und Mikrosystemtechnologie und für Nachhaltige Technologien.
Ein Dienstleistungs- sowie das Ost-West-Kooperationszentrum für Unternehmer aus Mittel- und Osteuropa runden das Profil ab. Bis Ende 2000 hatte die WISTA-MANAGEMENT GMBH rund 325 Millionen Euro investiert. Seit Fertigstellung der Zentren und der infrastrukturellen Vorhaben liegen die Arbeitsschwerpunkte der Gesellschaft in der Akquisition, Kooperation, im Marketing, in der Kommunikation sowie im Management der Technologiefelder.
Die Kleinen und die Großen
Seit 1990 sind in Adlershof 250 Unternehmen gegründet worden, darunter etwa 100 von ehemaligen Mitarbeitern der Akademie. Mittlerweile zählen etliche dieser Firmen zu den "stillen Stars", die wesentlich zum hohen Ansehen des Technologieparks beitragen. Der Aufbau des privatwirtschaftlichen Sektors in Adlershof war schwierig. Synergien setzten nur die aus der Akademie ausgegründeten Firmen und die ehemaligen Akademie-Institute frei. Auch Netzwerke wurden keineswegs schnell und strategisch geknüpft, wie es ursprünglich gedacht war. Heute allerdings kooperieren fast 90 Prozent der Unternehmen mit mindestens einem Partner; 60 Prozent mit drei und mehr Partnern am Standort.
Während Adlershof auch auf die junge Gründerszene attraktiv wirkte, erfüllte sich die Hoffnung, Großunternehmen zu gewinnen, bis jetzt nicht. Allerdings ist es bis heute gelungen, 400 kleine und mittlere Unternehmen im unmittelbaren Umfeld der wissenschaftlichen Einrichtungen anzusiedeln. Deren Umsätze und Beschäftigtenzahl wachsen inzwischen zweistellig, die Insolvenzrate liegt schon seit Jahren unter zwei Prozent. Rund zwei Drittel der knapp 600 Millionen Euro an Umsatz und Budgetmitteln kommen inzwischen aus den Unternehmen.
"Raus in die Pampa?"
Ende 1991 fiel der Entschluss, die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultäten der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin nach Adlershof zu verlegen und dem Standort damit eine zweite tragende wissenschaftliche Säule zu geben. Unterbringung und Ausstattung der HU-Institute in Berlins traditionsreicher Mitte hielten einem Vergleich mit den West-Berliner Universitäten nicht stand. Auch lagen sie nicht in räumlicher Nähe, was für eine Kooperation in Forschung und Lehre notwendig ist. Zugleich fehlte dem Standort Adlershof zum Aufbau der integrierten Landschaft aus Wissenschaft und Wirtschaft die unmittelbare Nähe zur Universität. Insofern war und ist der Umzugsbeschluss Chance und Herausforderung zugleich.
Der Entscheidung zum Umzug fiel schließlich 1997 und wurde bis 2003 zügig umgesetzt. Rund 185 Millionen Euro investierten Bund und Land in den neuen Campus.
Planung aus einem Guss
Die Weichenstellungen für den Aufbau eines Wissenschafts- und Technologieparks fiel 1991. Zwei Jahre später erkannten die politisch Verantwortlichen, dass es nicht sinnvoll ist, das ehemalige Akademiegelände isoliert zu entwickeln. Sie fassten daher den Beschluss, das gesamte Umfeld in ein Entwicklungskonzept einzubinden.
Im Februar 1993 wies das Land Berlin ein Areal von insgesamt 420 Hektar in Adlershof (einschließlich Wissenschafts- und Technologiepark) als Entwicklungsgebiet aus, um es auf der Grundlage eines einheitlichen städtebaulichen Konzepts zu entwickeln. Als Entwicklungsträger und Treuhänder des Landes Berlin wurde zunächst die BAAG Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft mbH eingesetzt. 2004 übernahm die Adlershof Projekt GmbH, ein Tochterunternehmen der WISTA-MANAGEMENT GMBH, deren Aufgaben.
Knapp 300 Millionen Euro hat der Entwicklungsträger bisher in Infrastruktur und Baumaßnahmen investiert - Kosten, die auch entstanden wären, hätte man Adlershof nicht zum Entwicklungsgebiet ausgewiesen. Vieles der geplanten Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien ist inzwischen verwirklicht worden: neben dem Wissenschafts- und Technologiepark zählt das einstige Gelände des Deutschen Fernsehfunks zu den bedeutendsten deutschen Standorten für Film- und Fernsehproduktion. Hinzu kamen große Projekte, so zum Beispiel der Landschaftspark, das Einkaufszentrum „Adlershofer Tor“ und nicht zuletzt der Autobahnanschluss und das Wohngebiet „Am Landschaftspark“. Etliche weitere Vorhaben sind soweit vorbereitet, dass sie in den nächsten Jahren erfolgreich abgeschlossen werden können, wie etwa der Ausbau des S-Bahnhofs und des Groß-Berliner Damms.
Bilanz nach 15 Jahren
Die integrierte Wissenschafts- und Wirtschaftslandschaft in Adlershof wurde gründlich geplant, an ihren Entwürfen lange gefeilt. Ein breiter politischer Rückhalt und konsequentes politisches Handeln sorgten dafür, dass wichtige Entscheidungen auch umgesetzt werden konnten.
Die Einbettung in ein einheitliches städtebauliches Konzept führte dazu, dass eine Stadt in der Stadt entstehen konnte, ein attraktives Ensemble von Wissenschaft, Wirtschaft, Wohnen, Einkaufen und nicht zuletzt einem großen Landschaftspark. Adlershof ist heute nicht nur Deutschlands größter Wissenschafts- und Technologiepark, sondern auch Berlins größter Medienstandort, der mit seinen Film- und. Fernsehproduktionen längst international Anerkennung gefunden hat.
Zeit ist ein Privileg. Adlershof bekam für Wachstum mehr Zeit als bei privaten Entwicklern die Rentabilitätszyklen zulassen. Adlershof konnte sich organisch entwickeln. Es entstand keine den konjunkturellen Ausschlägen schutzlos ausgelieferte Monokultur. Das Portfolio der Adlershofer Unternehmen ist stabil und dynamisch zugleich.
Kontakt
Dr. Peter Strunk
Leiter Kommunikation
Tel.: +49 (0) 30 / 6392-2225
Fax: +49 (0) 30 / 6392-2199
E-Mail: strunk(at)wista.de