Energy Research for Future – aktuelle Herausforderungen der Energiewende
Wissenschaftler diskutierten auf der Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien
„Energy Research for Future – Forschung für die Herausforderungen der Energiewende“ war das Motto für die Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien am 22. und 23. Oktober 2019 im Umweltforum Berlin. Auf der Tagung zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den dringenden Handlungsbedarf auf. Sie analysierten, wo in den Sektoren Mobilität, Strom, Wärme und Kälte die Hemmnisse für eine schnelle Energiewende liegen und wie sie überwunden werden können. Leitplanke für alle Maßnahmen der Politik sollten die Klimaziele von Paris sein.
Der Handlungsdruck steigt
Die schleppende Umsetzung der Energiewende zeigt eine deutliche Klimaschutzlücke, so dass der Handlungsdruck für die Entwicklung und den Aufbau eines klimaneutralen Energiesystems weiter steigt. Die bisher formulierten Maßnahmen der Bundesregierung reichen nicht aus, um einen adäquaten nationalen Beitrag für die Klimabeschlüsse von Paris zu leisten. Auch der Fortschrittsbericht 2019 des Bundeswirtschaftsministeriums zeigt auf vielen Ebenen eine Zielverfehlung. Der FVEE empfiehlt daher dringend eine Ausrichtung aller politischen Maßnahmen an der Erreichung eines klimaneutralen Energiesystems bis spätestens 2050.
Heute werden die Entscheidungen für die Welt von morgen gemacht
Wir spüren heute schon die Auswirkungen der Klimaveränderung. Dabei wird der Zeitfaktor immer kritischer. Denn neue Technologien brauchen einen zeitlichen Vorlauf, um von der Forschung bis in die breite Anwendung zu gelangen. Gravierende Umsetzungsdefizite insbesondere in den Sektoren Mobilität und Wärme hängen auch mit langen Investitionszyklen zusammen: Konsumenten treffen die Entscheidungen für eine neue Heizung oder ein neues Auto nur in großen zeitlichen Abständen, so dass sich die verfügbaren nachhaltigen Technologien nur verzögert verbreiten und sichtbar werden.
Transformationshemmnisse überwinden
Das Klimapaket der Bundesregierung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Um einen angemessenen Beitrag für die Klimaziele von Paris zu leisten, müssen die nationalen Ziele aber wesentlich ambitionierter gesteckt, deutlicher erklärt und zeitnäher umgesetzt werden. Außerdem sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich. Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien diskutierte auf seiner Jahrestagung, wo aktuell die zentralen technologischen und sozio-ökonomischen Herausforderungen liegen und was die Energieforschung beitragen kann, um die Transformationsgeschwindigkeit deutlich zu erhöhen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigten auf der Tagung, welche Schritte notwendig sind, um neben der Stromversorgung auch die Sektoren Mobilität sowie Wärme-/Kälte-Versorgung für Gebäude und Industrie auf nachhaltige Technologien umzustellen.
Ambitioniertere Ausbaupfade für Sonne und Wind
Zentrale Bedeutung hat der Ausbau erneuerbarer Energien im Verbund mit einer erhöhten Energieeffizienz. Vorliegenden Szenarien zufolge ist ein jährlicher Zubau von mindestens 5 GW Photovoltaik und 4 bis 6 GW Windkraft an Land nötig, um das Ziel eines Anteils von 65 % erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 zu erreichen. Ein verlangsamter Ausbau der Windenergie an Land ließe sich auch mit einem verstärkten Ausbau von Photovoltaik und / oder Offshore-Windenergie nur sehr schwer kompensieren und würde später erheblich höhere Anstrengungen erfordern, um die Ziele der CO2-Reduktion zu erreichen.
Mobilitätswende endlich starten
Für eine erfolgreiche Mobilitätswende greift die aktuelle Fokussierung auf den Austausch der Antriebstechnologie zu kurz. Es sind zusätzliche Maßnahmen für Verkehrsvermeidung und ‑verlagerung notwendig. Der öffentliche Personennahverkehr muss attraktiver werden, ebenso die Bedingungen für Fuß- und Radverkehr. Für den Güter- und Luftverkehr müssen nachhaltige Lösungen erarbeitet werden, dafür sind mit regenerativer Energie erzeugte synthetische Kraftstoffe ein wichtiger Baustein.
Wärmewende beschleunigen
Ausschlaggebend für eine gelungene Wärmewende sind wirksame Anreizsysteme für die Umsetzung, damit die vorliegenden technischen Lösungen tatsächlich in Anwendung kommen und ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Ernst machen mit der Wärmewende bedeutet den Umstieg auf Heizungssysteme, die hohe Anteile erneuerbarer Energien nutzen. Gleichzeitig müssen die Raten der energetischen Sanierung deutlich erhöht werden, um den Energiebedarf zu senken. Es gilt, intelligente Versorgungskonzepte für Quartiere zu erarbeiten und umzusetzen, die auch die Mobilität mit einbeziehen. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind als flexible Strom/Wärme-Systeme wichtige Bausteine der Wärmewende, müssen aber „grün“ weiterentwickelt werden, das heißt hin zur verstärkten Nutzung erneuerbarer Brennstoffe.
Einstieg in die Sektorenkopplung
Die Sektorenkopplung ist ein Schlüsselbaustein für eine erfolgreiche Energiewende, da sie die Nutzung erneuerbaren Stroms in direkter oder indirekter Form auch für Wärmeversorgung und Mobilität ermöglicht. Für das Zusammenspiel der Sektoren braucht es umfassende Unterstützung auf allen Ebenen: technologisch, ökonomisch und regulatorisch. Außerdem müssen ganzheitliche, integrierte Konzepte umgesetzt werden. Das umfasst den Aufbau nationaler und globaler Produktionsstrukturen für Schlüsseltechnologien wie Elektrolyseure, die Weiterentwicklung von Sektorkopplungstechnologien wie PtX, Netzen und Speichern und weiterer Flexibilisierungsoptionen wie Demand Side Management.
CO2 bepreisen
Eine sektorenübergreifende CO2-Bepreisung in ausreichender Höhe ist ein adäquates und notwendiges Instrument: Sie entfaltet bereits kurzfristig Lenkungswirkung und bietet langfristig Planungssicherheit. Außerdem muss das Energie- und Strommarktdesign so weiterentwickelt werden, dass es ausreichend Flexibilisierung anreizt und somit auch die Systemintegration hoher Anteile erneuerbarer Energien fördert.
Hebelwirkung einer Vorreiterrolle nutzen
Erfolgreiche Transformationsprozesse in Vorreiter-Ländern können erhebliche globale Multiplikationswirkungen auslösen. Deutschland kann und sollte aufgrund seiner ökonomischen und technologischen Stärke solch eine Vorreiterrolle übernehmen und Wissen zum verantwortungsbewussten Handeln schaffen. Damit würden wir nicht nur einen Klimaschutzbeitrag leisten, sondern auch eine Innovations- und Investitionsdynamik erzeugen, die gerade in Zeiten einer sich abschwächenden Konjunktur eine große Chance bietet, die deutsche Wirtschaft zukunftsfest aufzustellen und von den wachsenden Klimaschutzmärkten zu profitieren. Beispielsweise könnte Deutschland zeigen, wie der Ausstieg aus der Kohleverstromung bei Erhalt von Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit erfolgreich gestaltet werden kann. Die damit erzielbare Multiplikationswirkung ginge weit über den Zwei-Prozent-Anteil hinaus, den Deutschland gegenwärtig zu den globalen Treibhausgasemissionen beiträgt.
Techniken für eine klimafreundliche Industrie
Viele industrielle Prozesse beruhen heute noch auf fossilen Rohstoffen – nicht nur für die Energieversorgung, sondern auch als Ausgangsstoff für die Produktion. Die Erforschung alternativer Verfahren auf Basis erneuerbarer Energien und zur Verwertung von CO2 aus Abgasen oder aus der Atmosphäre steht noch ganz am Anfang. Hier sind Sprunginnovationen für eine Treibhausgas-neutrale energieintensive Industrie möglich, wie z.B. die Wasserstoff-Direktreduktion bei der Stahlerzeugung. Letztlich geht es um die umfassende Entwicklung einer klima- und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft.
Chancen der Digitalisierung nutzen
Digitalisierung und künstliche Intelligenz werden zu Schlüsseltechnologien für das intelligente Management des zukünftigen Energiesystems und sollten genutzt werden, um die Transformationsprozesse zu unterstützen und zu beschleunigen.
Gesellschaftspolitische Umsetzung begleiten
Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende ist eine hohe Akzeptanz und Unterstützung durch die Bevölkerung. Partizipative Verfahren für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern, beginnend im Quartier und auf der kommunalen Ebene, müssen weiter erforscht und erprobt werden.
Zielkonflikte mit dem Naturschutz müssen gelöst werden. Hier können einerseits technische Lösungen helfen, andererseits können neue Verfahren des Austauschs und der Herstellung eines Interessenausgleichs Lösungsbeiträge liefern.
Schließlich gilt es neben dem weiteren engagierten Ausbau der erneuerbaren Energien den notwendigen Ausstieg aus der Verstromung von Stein- und Braunkohle unter Berücksichtigung strukturpolitischer und sozialer Rahmenbedingungen durchzuführen und zu begleiten.
Über den ForschungsVerbund Erneuerbare Energien
Der ForschungsVerbund Erneuerbare Energien (FVEE) ist eine bundesweite Kooperation von Forschungseinrichtungen. Die Mitglieder erforschen und entwickeln Technologien für erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Energiespeicherung und das optimierte technische und sozio-ökonomische Zusammenwirken aller Systemkomponenten. Gemeinsames Ziel ist die Transformation der Energieversorgung zu einem nachhaltigen Energiesystem.
Fachliche Ansprechpartner
Prof. Dr. Hans-Martin Henning (Wissenschaftlicher Tagungsleiter)
Fraunhofer ISE
Tel. 0761/4588-5134,
hans-martin.henning(at)ise.fraunhofer.de
Prof. h.c. Dr. Joachim Knebel (Wissenschaftlicher Tagungsleiter)
KIT
Tel. 0721/608-25511
joachim.knebel(at)kit.edu
Dr. Niklas Martin (FVEE-Geschäftsführung)
Tel. 030 288 7565 71
fvee(at)helmholtz-berlin.de
www.fvee.de
Kontakt für Medien
Petra Szczepanski (Leiterin Öffentlichkeitsarbeit)
ForschungsVerbund Erneuerbare Energien – FVEE
Anna-Louisa-Karsch-Str. 2, 10178 Berlin
Telefon 030 288 7565 72
fvee(at)helmholtz-berlin.de
www.fvee.de
Die Mitgliedseinrichtungen des FVEE:
DBFZ (Deutsches Biomasseforschungszentrum)
DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt)
Fraunhofer IEE (Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik)
Fraunhofer ISE (Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme)
Fraunhofer IWES (Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme)
GFZ (Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum)
HZB (Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie)
ISFH (Institut für Solarenergieforschung Hameln Emmerthal)
IZES gGmbH (Institut für Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme)
Forschungszentrum Jülich
KIT (Karlsruher Institut für Technologie)
UFZ (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung)
Wuppertal Institut (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie)
ZAE Bayern (Bayerisches Zentrum für Angewandte Energieforschung)
ZSW (Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung)