Europäische Lichtblitze
Weltweit erste internationale Großprojekte der zivilen Laserforschung
Europas Laserforscher, seit Jahren im EU-geförderten Netzwerk LASERLAB-EUROPE eng verbunden, nehmen die weltweit ersten internationalen Großprojekte der zivilen Laserforschung in Angriff. Nahe Paris sitzt das Management für einen im kommenden Jahrzehnt zu bauenden Hochleistungslaser, der die höchsten derzeit möglichen Intensitäten für Grundlagenforschung in der Teilchen-, Nuklear- und Astrophysik sowie Kosmologie erreicht. In Großbritannien wird der erste Laser für die zivile Energiegewinnung durch Laserfusion geplant.
„Die Entwicklung von Lasern kann heute nicht mehr singulär verlaufen“, weiß Prof. Wolfgang Sandner vom Max-Born-Institut in Adlershof. Er ist Koordinator des seit 2003 bestehenden Laserlab-Europe, eines virtuellen Zusammenschlusses von inzwischen 27 nationalen Lasereinrichtungen aus 15 EU-Ländern. Gerade hat die Europäische Kommission dem Netzwerk für die nächsten drei Jahre weitere zehn Millionen Euro bewilligt. Mit dem Ziel, die interdisziplinäre Laserforschung zu stärken.
Zugang zu den besten Lasern der Welt
Knapp die Hälfte des Geldes fließt in ein Gastwissenschaftlerprogramm. Dies ermöglicht europäischen Forschern Zugang zu den besten Lasern der Welt. „Allein an unserem Institut sind dafür rund 80 Tage im Jahr vorgesehen“, so Sandner. Einer der Gastwissenschaftler war der ungarische Physiker Károly Osvay. Er leitet an der Universität in Szeged, Ungarn, die TeraWatt-Titan-Saphir-Laser-Gruppe und nutzte 2005 für seine Forschungsarbeiten das erste Mal die Laserinfrastruktur des MBI. Daraus entstand in den vergangenen zwei Jahren eine enge Kooperation zum Aufbau des Front end für den neuen Höchstfeldlaser des MBI. Nicht nur als Forscher auch privat hatte Osvay sich in Berlin mit seiner Familie eingerichtet. Die Wohnung im Wissenschaftler-Gästehaus in Köpenick mit dem Wasserweg Dahme vor der Haustür schien für den passionierten Kajakfahrer perfekt. Seine beiden Töchter waren in Schule und Kita integriert, seine Frau in einem Forschungsprojekt der Charité involviert.
Zeitalter der Attosekunden
Doch seit 1. Oktober hat Osvay einen neuen Job in Frankreich. Er ist Projektmanager der „Extreme Light Infrastructur“, kurz ELI. Die Verwirklichung dieses gewaltigen Laserkonzepts ist eine der Visionen der europäischen Laserforscher. Herzstück von ELI ist ein Hochleistungskurzpulslaser, der Brennpunktintensitäten von bis zu 1024 Watt pro Quadratzentimeter erreicht. Das ist noch tausendmal stärker als der Höchstfeldlaser am MBI. Und bereits dort ist die Leistung eines einzelnen Lichtpulses dreißigmal größer als die Leistung aller Kraftwerke zusammen. Durch die mit ELI erzielte ultrakurze Dauer der Pulse wird es nicht nur möglich sein, die ultraschnellen Bewegungen von Elektronen, die innerhalb von Atomen und Molekülen in Attosekunden (10-18 Sekunden) oder sogar Zeptosekunden (10-21s) ablaufen, zu beobachten, sondern sogar Effekte der spontanen Erzeugung und des Zerfalls von Elementarteilchen im Vakuum. Applikationen mit extremem Licht sind sogar im medizinischen Bereich vorgesehen, so dass auch Biologen, Materialwissenschaftler und Radiologen von ELI profitieren werden. Derzeit läuft die Vorbereitungsphase von ELI, in der die Arbeiten von 300 Laserforschern aus 50 Lasereinrichtungen aus 13 europäischen Ländern zu koordinieren sind. Adlershof bleibt Osvay trotz des neuen Jobs treu. Bereits im Dezember will er mit seiner ungarischen Forschungsgruppe wieder für zwei Wochen am MBI sein.
Zivile Energiegewinnung durch laserbasierte Kernfusion
Neben ELI gibt es mit HiPER ein zweites europäisches Lasergroßprojekt, das aus dem Laserlab-Europe hervorgegangen ist, erzählt Sandner. Konzipiert ist ein fabrikhallengroßer Laser, der den Durchbruch für die zivile Energiegewinnung durch laserbasierte Kernfusion bringen könnte. Mindestens eine Milliarde Euro sollen in das Projekt fließen. MBI-Direktor Sandner ist sich sicher, dass mittels des geknüpften europäischen Lasernetzwerks Europas führende Rolle auf diesem Gebiet weiter ausgebaut werden kann.