Frisches Brot aus Adlershof
Schlechte Laune als Geschmacksverstärker
„Bitte etwas berndiger!“ – Eine häufige Regieanweisungen im Studio L in Berlin Adlershof. Was seltsam klingt, ist Fernsehgeschichte. Bernd ist ein Kastenbrot mit Stummelarmen und Brötchenfüßen. Seit dem Start im Jahr 2000 ist die mediale Teigware fast täglich auf Sendung, auch wenn er lieber Fernsehtestbilder sammeln oder die Südwand seines Zimmers anstarren würde. Seit September läuft die neue Staffel.
Schuld an des Brotes Dilemma ist Comedian, Autor und Regisseur Tommy Krappweis. Als der vor Jahren beim Italiener ein Ciabatta-Brot portraitierte und ihm die Gesichtszüge von Kumpel und Mitautor Norman Cöster gab, hörte noch keiner den Startschuss für eine Karriere als Kultstar wider Willen. „Mist.“ Oder auch: „Oberdoppelriesenmist“ – in der Flimmerwelt des Gute-Laune-Terrors gibt das Kastenbrot dem Zuschauer das Recht auf schlechte Laune wieder. So lobt zumindest die Jury des Adolf-Grimme-Preis die Bernd-Attitüde im Jahr 2004. Die Auszeichnung sei fällig geworden, weil, Bernd, sich zu unserem TV-Therapeuten empor gemault hat. obwohl er noch Hoffnung hat, diesem ’schmutzigen Geschäft’ eines Tages doch wieder zu entfliehen „Wir haben ihn nötig, dieses Backware gewordene duale System, das Kinder und Erwachsene verzückt, schlicht alle, die nicht mitmachen wollen beim Dauergrinsen.“
Nervensägen: Chili & Briegel
Und Bernd ist nicht allein. Erfinder Briegel der Busch und Stunt-Schaf Chili stören seine Ruhe immer wieder. Nach acht Jahren Zwangsfreundschaft mit beiden verkrümelt sich Bernds Laune in den grauschimmeligen Bereich. Nur die Stylistin am Set in Adlershof erträgt der Misanthrop gern: Puppen-Coach Anke Anders kümmert sich, dass Bernd immer schön knusprig aussieht, auch wenn er, dank Briegels Erfindungen, wieder mal unsanft in Nachbars Garten landete – Flugbrot. Ein harter Job, pro Drehtag muss die Crew etwa 15 Minuten sendetaugliches Filmmaterial schaffen.
Brotvater Krappweis selbst hat schon früh Bildschirmerfahrung gemacht, in TV-Vorabendserien wie „Forsthaus Falkenau“ und „SOKO 5113“. Er hat das „schmutzige Geschäft“ kennen gelernt in der Westernstadt „No Name City“ bei München, in der er sich über 750-mal erschießen lassen musste. In der Stuntshow. Soweit bekannt, ist auch das Theaterstück „Pumuckl und die Grippetabletten“, das Krappweis in der dritten Klasse geschrieben haben soll, nie am Deutschen Theater – weder in Berlin noch München – aufgeführt worden. Wen wundert da die schlechte Laune des kastigen Zöglings. Dank des Erfolgs des Brotes kann bei Krappweis aber schlechte Laune erst gar nicht aufkommen.
Allerdings gibt es Gerüchte, denen zufolge Schaf Chili Krappweis selbst nachempfunden wurde. Bestätigen könnte das Tanja Schumann, die das scharfe Schaf synchronisiert. Die kennt Krappweis von seiner Zeit „hinter der Kamera“ bei RTL Samstag Nacht. Auch Hugo Egon Balder und Stefan Jürgens sind schon beim Brot gesichtet worden. In Adlershof wissen alle, wie sie ihren Star behandeln müssen. Jörg Teichgraeber, der dem Kastenbrot Arm und Stimme leiht, hat sich daran gewöhnt, dass man ihn hier nur „Bernd“ nennt.
TV-Therapeut in der Sendeschleife
Seit September läuft die zweite Staffel der Adlershofer Produktion jeden Samstag um 20.15 Uhr im KI.KA. Und auch nachts kommt Bernd nicht zur Ruhe: Ab 21 Uhr steckt er in der Sendeschleife, bis sechs Uhr morgens. Bernds Laune verschlechtert sich zusehends, die Fans freut es.
Rico Bigelmann