Gerhard W. Steindorf im Interview
Geschäftsführer der Adlershof Projekt GmbH über die Zukunft des Standorts, den Berliner Immobilienmarkt und die Entwicklung des Unternehmens
Wie Wissenschaft Arbeit schafft, das ist der Slogan von Adlershof, der Stadt für Wissenschaft, Wirtschaft und Medien im Südosten Berlins. Heute befindet sich hier Deutschlands bedeutendster Wissenschafts- und Technologiepark, einer der größten der Welt. Die Adlershof Projekt GmbH ist der städtebauliche Entwicklungsträger und Treuhänder des Landes Berlin und betreibt das Standortmarketing für das gesamte Entwicklungsgebiet. Sie ist verantwortlich für Entwicklung, Leitplanung, Bebauungspläne, Projektsteuerung der städtischen Infrastruktur und veräußert Grundstücke an Investoren, auch für den Hausbau. Der Immobilienbrief Berlin sprach mit Geschäftsführer Gerhard W. Steindorf:
Wie ist Ihre Beziehung zu Berlin?
Man kann in allen Städten unserer Republik gut leben, ich habe es an verschiedenen Beispielen selbst probiert. In Berlin lebe ich und mit mir einige Millionen Berliner am liebsten. Seit 1992 Wahlberliner, habe ich diese Stadt zu meiner Heimat gemacht. Sie bietet eine Welt innerhalb ihrer Mauern und ich kann mir nicht mehr vorstellen, woanders zu wohnen. Für mich als Architekten und Stadtentwickler stellt sie gleichzeitig eine berufliche Herausforderung und eine inspirierende Dynamik dar, die auchabsehbar in den kommenden Jahren nicht aufhören wird. Seit 300 Jahren „Stadt im Wandel“ hat sie, wie immer schon und permanent eine spannende Zukunft vor sich. (Berlin bereitet das Jubiläum 300 Jahre Wissenschaftsstadt Berlin vor.
1711 wurde die Kurfürstlich-Brandenburgische Sozietät der Wissenschaften - auf Initiative von G. W. Leibniz 1700 begründet - feierlich eröffnet, Anm. der Redaktion)
Worin sehen Sie den größten Beitrag Ihres Unternehmens für das wirtschaftliche Vorwärtskommen Berlins?
Mein Unternehmen, die Adlershof Projekt GmbH, schafft mit der städtebaulichen Entwicklung die Voraussetzungen, dass einer der größten und erfolgreichsten Wissenschaftsparks in Deutschland entstehen und komplettiert werden kann. Unser Produkt ist die Ansiedlung von Wirtschaft. Und dabei nicht in beliebiger Form. Das Profil ist forschungs- und technologienah und damit zukunftsfähig. Zusammen mit den Standortpartnern in Adlershof gelingt es, gerade gegen den Trend, hochkarätigen Unternehmen aus modernen und zukunftsweisenden Technologie-Feldern ihr neues Forschungs- und Produktionsumfeld zu vermitteln. Dabei ist es gerade die einzigartige Mischung der unterschiedlichsten Unternehmen und Institute und derUniversität, die den „kreativen Humus“ für neue Ideen bilden, die zu neuen Produkten und zu neuen Firmen führen. Adlershof kreiert jährlich 500 bis 600 neue Jobs aus dem Bestand der vorhandenen Unternehmen heraus. Hinzu kommen Arbeitsplätze aus Ansiedlungen von außen. Nach verschiedenen Entwicklungsphasen sind wir jetzt dort angekommen, wo die große Idee aufgeht. In der Tat sind aus kreativen Ideen Firmen geworden sind, die nun eigene Forschungs- und Produktionsanlagen bauen, ist aus Wissen Wirtschaft geworden.
Dank unserer Tätigkeit im Verbund mit der Betreibergesellschaft schaffen wir nun noch die Voraussetzungen für großformatige Produktionen im Norden des Entwicklungsgebietes. Firmen der Hochtechnologie, unter anderem auch der Photovoltaik-Branche, die in Größen zwischen 200 und 400 Mitarbeitern im Drei-Schicht-Betrieb Beiträge zur nachhaltigen Energieerzeugung produzieren.
Bedenkt man die Anfänge der Entwicklung nach der Wiedervereinigung, als der gesamte Standort verlassen war, ist Adlershof heute mit mehr als 20.000 Menschen am Standort, Forscher, Angestellte, Arbeiter und Studenten ein Vorzeigemodell für die gelungene Reindustrialisierung in einem neuen Kaliber, nachhaltig und längst schon ohne rauchende Schlote. Dafür lohnt sich der Einsatz.
Was treibt Sie sonst noch um?
Zu sehen, was in der Welt geschieht, den eigenen Horizont kräftig zu erweitern; meine private Wissensglobalisierung schafft mir eine Menge Umtrieb. Gerade im vergleichenden Beispiel von Entwicklungen wie u. a. der Mega-Cities, der Planungsmethoden und Ergebnisse, natürlich auch für den Bereich der wissensbasierten Wirtschaft relativiert sich das eigene Handeln. Eine gute Basis hierfür ist der Austausch mit anderen internationalen Entwickler- und Betreibergesellschaften von Science Parks. Die treffen wir auf einer Konferenz in den USA. Andererseits, die gebaute und gestaltete Umwelt umgibt uns überall. Als Architekt und Stadtentwickler ist es leicht, seinen Beruf zum Hobby zu machen. Wenn das noch mit anregenden Reisen verbunden sein kann, trifft sich das Angenehme mit dem Nützlichen.
Wie haben Sie in die Immobilienbranche gefunden?
Meine Ausbildung zum Ingenieur und zum Architekten schafft schon eine natürliche Verbindung. Die eigenen Neigungen und Talente erfährt man erst wirklich in der praktischen Erprobung. Nach einer kurzen aber sehr intensiven Zeit als Architekt im Industriebau habe ich an dem für komplexe Vorhaben immer wichtiger werdenden Element der Organisation und der Steuerung meine Orientierung genommen. Die Erfahrungen aus dem interdisziplinären Miteinander der Planer in komplizierten Projekten, wie z. B. einer Großmotorenfertigung oder auch anderen sind für die Beherrschung vernetzter Prozesse sehr prägend.
Seit die Finanzwirtschaft festgestellt hat, dass projektbegleitende Steuerung und Kontrolle nicht nur dem finanzierten Objekt dient, waren solche Erfahrungen bei Banken und Immobilien-Finanziers gefragt. 15 Jahre in einer Immobilien- Leasing-Gesellschaft in Frankfurt am Main mit Bankenhintergrund, die überwiegende Zeit als verantwortlicher Geschäftsführer, haben den Horizont noch einmal mächtig erweitert. Das Wissen um das Bauen und die Steuerung von Bauprozessen kombiniert mit der Herangehensweise eines Financiers erzeugt eine eigene, noch immer recht seltene Qualifikation.
Dann kam Berlin! 1992 ereilte mich der Ruf, Geschäftsführer einer Projektentwicklungsgesellschaft in Berlin zu sein. Mitten in der anhaltenden Blüte der Immobilienentwicklung. Große Projekte, komplexe Entwicklungen und bis heute herzeigbare Adressen. Mit dem Erfolg, dass eine namhafte deutsche Bank um meine Mitwirkung beim Aufbau einer eigenen Projektentwicklungs-Division geworben hat. Nachdem sich rund fünf Jahre später alle Bankinstitute wieder auf das Kerngeschäft konzentrierten, wurden die „artfremden“ Bereiche wieder geschlossen. Seit 2003 bin ich als Geschäftsführer für die Adlershof Projekt GmbH und damit die städtebauliche und stadttechnische Entwicklung bei diesem Leuchtturm-Projekt verantwortlich.
Wie schätzen Sie die Perspektiven des Berliner Immobilienmarktes im Allgemeinen und speziell in Ihrem Tätigkeitsbereich ein?
Die Kapazitäten aus Nachwende-Zeiten sind noch nicht endgültig verdaut. Die Aufnahmefähigkeit des Berliner Immobilienmarktes ist begrenzt. Es wird noch einige Jahre andauern, bis die gewerblichen Flächen, d. h. Leerstände aus dem Bürobereich assimiliert sein werden. Die rezessive Tendenz der Wirtschaft, und zwar nicht nur in Berlin, mit Druck auf die Mieten tut ihr übriges. Zu Euphorie ist kein Anlass. Im Bereich der großen Portfolien von Wohnimmobilien dauert ebenfalls der „Kater“ und eine gewisse Deinvestition nach meiner Auffassung noch die nächsten drei bis vier Jahre an.
Bei gängigen Gewerbeflächen, damit meine ich gut konzeptionierte Produktions- und Lagerhallen mit einem gewissen Büro-Anteil erscheint eine dauerhafte Nachfrage, die nicht befriedigend gedeckt werden kann. Es gibt zu wenige solcher Projekte im Bestand. Ein bedarfsgerecht entwickelter Neubau dauert den kurzfristig entscheidenden Unternehmen zu lange. Ich glaube fest daran, dass der modulare Aufbau von Gewerbepark-Strukturen mit Gebäuden verschiedener Zuschnitte und Größenordnungen derzeit eine gute Chance für die Immobilienwirtschaft ist. Sie erfordert allerdings spekulative Vorinvestitionen in einem bestimmten Umfang. Für eigen genutzte Immobilien von Produktionsunternehmen gibt es einen kleinen, aber beständigen Markt. Er wird durch Bestandshalter, Projektentwickler, Bauunternehmen und Finanzierungsgesellschaften bedient.
Das Umfeld des künftigen Single-Airports BBI lockt zurzeit viele Entwicklungsinteressen. Die konkreten Nachfragen werden sich langsamer vollziehen, als es sich die Branche wünscht. Aber ohne jeden Zweifel werden rings um BBI und vor allem auf der Entwicklungsachse zwischen BBI und Hauptbahnhof, dem so genannten „Investitionskorridor“ Wachstumsimpulse, auch für die Immobilienwirtschaft spürbar und sichtbar sein.
Wo sehen Sie sich und Ihr Unternehmen in zehn Jahren?
Die Adlershof Projekt GmbH lebt für die Entwicklung des Wissenschafts- und Technologieparks Adlershof. In einigen Jahren wird die städtebauliche und technische Entwicklung tatsächlich fertig sein. Dann ist der Zweck der Gesellschaft erfüllt. Ich bin sicher, dafür braucht es keine zehn Jahre mehr. Das Erfolgsmodell ist nicht an dem Inhalt des Wissenschaftsparks fixiert. Erfolgsfaktoren sind vielmehr die thematisch ausgerichtete Herangehensweise und eine dezidierte „Kümmerer“-Struktur.
Mit dieser Haltung fragt man die Adlershofer Crew bereits jetzt für andere Projekte, z.T. mit langfristiger Entwicklungsperspektive, teilweise auch mit Akupunktur-Charakter, an. Ein Beispiel ist die thematisch strukturierte Analyse und Freilegung von Handlungsalternativen in dem kreativen Quartier rings um die Technische Universität und Universität der Künste in Charlottenburg.
In zehn Jahren wird die Gesellschaft in der jetzigen Aufstellung nicht mehr tätig sein. Die versammelte Erfahrung aus dem Querschnitts-Know-how über Wirtschaft, Wissenschaft, Stadtplanung und Bauen geht jedoch nicht verloren. Für Berlin könnte ein solches, in der Praxis erprobte Team ein wirkungsvoller Helfer bei den zahlreichen Handlungsfeldern der Zukunft sein.
Was ist Ihr größter Traum?
Zugegeben: Einen nicht unmaßgeblichen Teil meines Traums lebe ich täglich. Darüber bin ich sehr froh. Im privaten Leben gibt es für die Zukunft noch immer offene Wünsche. Das ist auch gut so. Mein persönlicher Traum ist die Verwirklichung von guter Gesundheit und Kondition und kreative, anregende, fordernde Beschäftigung über den Tag hinaus.
Das tägliche Umfeld ist die Realität. Wenn man dort träumen dürfte, wäre mein Traum für Mitteleuropa, unsere Republik, vor allem für Berlin, hohe, ja völlige Integration aller Bürger in die Gesellschaft, Beschäftigung für alle Arbeitsfähigen, und zwar so bezahlt, dass es die Menschen ernährt, Erreichen und Halten der höchsten Bildungsstandards, nur diese sichern uns einen Innovations- und Technologie- Vorsprung, der uns wirtschaftlich handlungsfähig erhält und …… möge Frieden sein
Herr Steindorf, Danke für das Gespräch.
Quelle: Der Immobilien-Brief Berlin, 5.6.2009