Kinderleicht? Geduld kann man früh üben
Erzieherin Anne Schenke berichtet aus dem Kita-Alltag
Erzieherin Anne Schenke arbeitet in der Kita Am Studio und findet, dass ihr Beruf der schönste der Welt ist. Sie ist ein geduldiger Mensch, übt sich darin jeden Tag. Denn Gelassenheit muss man üben. Das tun auch die 103 Kinder in der Kita Am Studio – ganz spielerisch.
Wie beobachten Sie in Ihrem Kita-Alltag Geduld bei den Kindern?
Nach dem Morgenkreis um 9 Uhr können sich die Kinder in unseren verschiedenen Bereichen beschäftigen. Im Atelier malen und basteln sie, in der Bauecke spielen sie mit Bausteinen, Tannenzapfen und Stöckchen. In der Ruheinsel schauen sie Bücher an oder hören CD. Besonders lieben sie die Massagegeschichte über den Elefanten. Wie der Elefant auf den Spielplatz geht, rutscht und anschließend badet, das spiele ich für die Kinder auf ihrem Rücken nach – und dabei sind sie unglaublich geduldig.
Geduld haben Kinder auch bei Entdeckungen, die wir vielleicht etwas unangenehm finden: In den letzten Wochen haben sie mit unglaublicher Ausdauer die Eicheln im Garten geknackt, um an die kleinen Maden heranzukommen, die drinnen sitzen. Die Maden haben sie dann in der Länge verglichen, gesammelt und gezählt. Ein tolles Geduldsspiel, das sich die Kinder ganz allein ausgedacht haben.
Ist Geduld angeboren?
Geduld kann man lernen. Den ruhigen Temperamenten fällt das leichter als den quirligen. Es ist die Grundlage, um überhaupt Gesprächen zu folgen oder miteinander zu spielen. Geduld ist die Fähigkeit, Frustration auszuhalten, bis das Ergebnis kommt.
Ist Geduld eine wichtige Eigenschaft?
Sehr wichtig, denke ich. Manche Wissenschaftler schätzen Geduld sogar noch höher ein als den Intelligenzquotienten. Wer warten kann, ist unter Umständen erfolgreicher. Geduldige Menschen sollen sogar insgesamt erfolgreicher und zufriedener als ungeduldige sein.
Wie lernen Kinder Geduld?
Geduld zu lernen beginnt schon beim geregelten Tagesablauf. Ab einem Jahr verstehen Kinder, dass Dinge aufeinanderfolgen. Das ist sehr wichtig. Mit eineinhalb begreifen die Kleinen, Vergangenheit und Gegenwart zu unterscheiden. Sie können schon mal eine kurze Zeit warten. Dreijährige können ganz gut warten, am besten mit einer Aufgabe. Hier in der Kita sollen sie dann vielleicht eine Sandburg bauen, bis die Rutsche wieder frei ist. Mit vier Jahren können sich Kinder in andere hineinversetzen und sie verstehen den Sinn des Wartens.
Extrem wichtig ist die Konsequenz, dass man Dinge auch einhält. Wenn ich zu meinen Kindern sage: „Nach dem Aufräumen spielen wir.“ Dann lernen die Kinder, dass sich die Geduld auch lohnt. Aber sie brauchen uns Erwachsene nicht immer dazu. Sie lernen Geduld im Spiel. Untereinander, aber auch alleine.
Bieten Sie spezielle Geduldsspiele an?
Na klar, schon allein der Morgenkreis ist eine Geduldsübung. Jedes Kind wartet, bis es an der Reihe ist. In der Kita gibt es Spiele wie Memory, Puzzeln oder Steckern. Wir bieten auch naturwissenschaftliche Experimente an, kindgerecht natürlich, in Zusammenarbeit mit dem „Haus der kleinen Forscher“. Das passt auch gut zum Standort.
Erzieher müssen Nerven wie Drahtseile haben. Gibt es denn Situationen, in denen Ihnen der Geduldsfaden reißt?
Ich glaube, wenn der Stress insgesamt hoch ist, dann fällt es schwerer, geduldig zu sein.
Wann fällt Geduld besonders schwer?
Kindern fällt es immer sehr schwer, geduldig zu sein, wenn sie hungrig oder müde sind. Oder beides. Da muss man die Grenzen auch erkennen. Nicht jeder „Bock“, den ein Kind hat, ist, um die Eltern zu ärgern. Manchmal können die Kleinen einfach nicht mehr warten. Das gilt auch für Erwachsene. Es gibt auch große Menschen, die zickig werden, wenn sie Hunger haben.
Haben sich die Kinder verändert, was ihre Geduld betrifft?
Früher war Geduld als Norm wichtiger. ‚Du musst leise sein, wenn die Erwachsenen reden‘ zum Beispiel war wichtig. Dass die Kinder Geduld lernen in Bezug auf Schule, das erleben wir hier sehr häufig. Das ist den Eltern sehr, sehr wichtig. Der Bildungsaspekt der Geduld ist in den Vordergrund gerückt, der Höflichkeitsaspekt eher zurückgegangen, weil die Kinder gleichberechtigter sind.
Wie entspannen Sie in Ihrer Freizeit?
Ich liebe es, in der Natur zu sein. Dann gehe ich mit meinen beiden Kindern, die sind zwei und 14 Jahre alt, und mit unserem Hund spazieren. Durch meine eigenen Kinder habe ich gelernt, dass man viel geduldiger sein kann, wenn man für alles gaaanz viel Zeit einplant.
Fabian, 6: „Der Stör, das ist das geduldigste Tier, denn der muss ja immer lange auf seine Beute warten, manchmal eine halbe Stunde.“
Clara, 6: „Geduld? Man muss zum Beispiel auf seinen Geburtstag warten. Heute habe ich Geburtstag, ich werde sechs und wir feiern im Kindergarten. Jetzt muss ich nicht mehr warten.“
Fabio, 5: „Beim Einkaufen muss man auch geduldig sein. Warten bis Mama und Papa alles ausgesucht haben. Warten auch an der Kasse, bis alle Leute bezahlt haben.“
Maria, 5: „Geduld ist, wenn man auf jemand anderen warten muss. Wenn der woanders spielen gehen möchte, dann muss ich manchmal auch geduldig sein. Mein kleiner Bruder heißt Moritz, der ist drei. Auf den muss ich ziemlich oft warten.“
Gwenda, 5: „Geduld haben muss ich, wenn die Rutsche auf dem Spielplatz voll ist. Dann muss ich warten, bis sie wieder frei ist.“
Das Interview führte Jördis Götz für Adlershof Journal