Marsvulkan Tharsis Tholus: Überirdisch gigantisch
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat Mars im November 2011 im Visier
Die Vulkane auf dem Mars sind wahre Giganten. Neben dem größten Feuerberg des Sonnensystems, dem 24 Kilometer hohen Olympus Mons, sowie den drei benachbarten Schildvulkanen Arsia, Pavonis und Ascraeus, befinden sich auf der Tharsis-Aufwölbung am Marsäquator einige weniger beachtete Vulkankomplexe von ebenfalls gewaltigen Ausmaßen. Mit einer Grundfläche von 155 Kilometern mal 125 Kilometern ist der 8000 Meter hohe Tharsis Tholus zwar nur ein Vulkan aus dem "Mittelfeld", nach irdischen Maßstäben dennoch ein wahrhaftiger Riese. Die vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene hochauflösende Stereokamera (HRSC) auf der ESA-Raumsonde Mars Express nahm während mehrerer Orbits Bilddaten von Tharsis Tholus auf, die zu einem Mosaik mit einer Auflösung von etwa 14 Metern pro Bildpunkt (Pixel) zusammengefügt wurden. Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt bei 13 Grad nördlicher Breite und 268 Grad östlicher Länge.
Vulkane spielen, wie auf der Erde, auch auf dem Mars eine wichtige Rolle sowohl in der Klimageschichte als auch in der thermalen Entwicklung im Innern des Planeten. Durch Vulkanausbrüche werden der Atmosphäre "frische" Gase zugeführt und dadurch die Dichte und Zusammensetzung der Gashülle beeinflusst. Ob es beispielsweise auf dem Mars einst aus Wasserdampfwolken geregnet und einen Wasserkreislauf gegeben hat, ist eine der spannenden Fragen der Marsforschung: Nicht zuletzt ist damit auch die Beantwortung der Frage verknüpft, ob es auf unserem heute trockenen Nachbarplaneten jemals Bedingungen gab, die eine Entwicklung von Leben begünstigt hatten.
Eine mehr als zweieinhalb Kilometer tiefe Caldera am Gipfel von Tharsis Tholus
Tharsis Tholus unterscheidet sich von vielen anderen Vulkanen auf dem Mars dadurch, dass das so genannte Vulkangebäude stark in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Der Vulkankomplex ist nicht wie sonst üblich ebenmäßig kegel- oder schildförmig über einem Förderzentrum gewachsen. Es weist stattdessen erhebliche Deformationsspuren auf. Mindestens zwei große Kollapse an der West- und Ostflanke ereigneten sich in seiner vier Milliarden Jahre langen Entwicklung. Zeugen dieser Ereignisse sind die noch sichtbaren, teilweise mehrere Kilometer hohen Steilkanten, aber auch ringförmige Störungsstrukturen.
Das Hauptmerkmal von Tharsis Tholus ist allerdings die Dimension seiner zentralen Caldera. Dieser leicht elliptische Einsturzkessel am Gipfel des Vulkans ist mit einer Ausdehnung von ungefähr 32 Kilometern mal 34 Kilometern fast so groß wie Berlin. Der Boden der Caldera befindet sich bis zu 2,7 Kilometer unterhalb der Abbruchkante. Die Bildung des Einsturzkessels kann man sich wie folgt vorstellen: Eine flach unter dem Vulkan lagernde Magmenkammer entleert sich größtenteils infolge vulkanischer Ausbrüche, das Magma tritt vorwiegend als Lava an der Oberfläche aus. Die Entleerung hat zur Folge, dass ein größerer Hohlraum im Inneren des Vulkans entsteht. Das sich darüber befindliche Dachgestein kann die Auflast des Vulkans nicht mehr tragen und es kommt zum Kollaps. Als Resultat entsteht ein großer Einsturzkessel oder Caldera.
Die wahre Größe von Tharsis Tholus ist allerdings verdeckt. Wie in der Nadiraufnahme (der senkrechten Draufsicht auf den Vulkankomplex in Schwarzweiß) zu erkennen ist, ist der Vulkan von zahlreichen erstarrten Lavaströmen umflossen. Dies hat zur Folge, dass der ursprüngliche Fuß des Vulkans nicht mehr erkennbar ist. Gemessen an der Vielzahl und Mächtigkeit der Lavaströme ist es möglich, dass Tharsis Tholus bis zu mehreren Kilometern Tiefe in Lava "ertrunken" ist.
Die dem Mosaik zugrunde liegenden Bildstreifen der hochauflösende Stereokamera (HRSC) wurden zwischen dem 28. Oktober und dem 13. November 2004 während der Orbits 0997, 1019, 1041 und 1052 aufgenommen. Die hier gezeigten Bildprodukte wurden in der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung, am Institut für Geologische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin erstellt. Die Schrägansichten wurden aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Die Anaglyphe wurde aus dem Nadirkanal, der von allen Kanälen die höchste Auflösung erzielt, und einem Stereokanal abgeleitet. Die schwarzweißen Detailaufnahmen wurden dem Nadirkanal entnommen. Die in Regenbogenfarben kodierten Falschfarbenbilder beruhen auf digitalen Geländemodellen der Region, aus denen sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Im November 2011 steht der Mars im Mittelpunkt des Interesses
Der Mars ist nach wie vor eines der wichtigsten Ziele der Planetenforschung. Am 25. November 2011 wird die NASA mit dem Mars Science Laboratory eine Landesonde mit dem Marsmobil "Curiosity" (Neugierde) auf den Weg zum Roten Planeten bringen, das fünf mal so schwer ist, wie die beiden "Marsveteranen" Spirit und Opportunity, die sich seit 2004 auf der Marsoberfläche befinden. Curiosity wird mit dem bisher umfangreichsten und anspruchsvollsten Paket an Experimenten der Frage nachgehen, ob es auf dem Mars organische Moleküle gab oder gibt.
Auch die russische Raumfahrt wird sich wieder dem Mars widmen und am 8. November 2011 um 22.16 Uhr Mitteleuropäischer Zeit die Mission Phobos Grunt zum größeren der beiden Marsmonde, Phobos, schicken, wo eine kleine Landesonde 2013 Proben sammeln und damit 2014 zur Erde zurückkehren soll. Das DLR ist an dieser Mission beteiligt: Mit digitalen Geländemodellen, die aus HRSC-Bilddaten errechnet wurden, wird die russische Seite bei der Auswahl von potentiellen Landestellen auf Phobos unterstützt. In weiter Ferne steht freilich noch ein bemannter Flug zum Mars: Allerdings werden auch hierfür bereits Erkenntnisse gesammelt wie beim Langzeitexperiment "Mars 500", bei dem sich in Moskau Probanden einem 500-tägigen virtuellen Flug zum Mars in der Isolation eines simulierten Raumschiffs begeben haben - am 4. November werden sie wieder "auf der Erde erwartet".
Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 40 Co-Investigatoren aus 33 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des Principal Investigators (PI) G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena -Optronik GmbH). Sie wird vom DLR -Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin erstellt.
Kontakte:
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Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
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Prof. Dr. Ralf Jaumann
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Institut für Planetenforschung, Planetengeologie
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Ulrich Köhler
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
DLR-Institut für Planetenforschung
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