Vom Hörsaal in den Chefsessel
Mit Anfang 20 hat Munay Zamorano das Kosmetik-Unternehmen New Natural übernommen
New Natural, ansässig im Charlottenburger Innovations-Centrum CHIC, verkauft über 1.000 zertifizierte Produkte von zehn Naturkosmetikmarken in über 30 Ländern an Parfümerien, Drogerien und Onlineshops. Das Sortiment reicht von Sonnencremes bis hin zu Deos, Make-up und Parfums.
Alles fing damit an, dass Munay Zamorano nach ihrem Abitur ein dreimonatiges Praktikum bei Swantje van Uehm machte, die gerade einen Kosmetikhandel aufbaute. Zamorano holte erste deutsche, englische und spanische Großkunden an Bord. Später, während des Studiums, rief van Uehm an, um ihr einen Job als Werkstudentin anzubieten.
Schnell wuchs die Berlinerin in das Start-up, gestaltete den Salesprozess mit und führte neue Tools und Routinen ein. „Inoffiziell war ich Head of Sales“, merkt die 27-Jährige an. Sie verfasste Mails während der Vorlesungen. Wenn ihre Mitstudierenden lernten, kümmerte sie sich um das Business. Das ging zwei Jahre so, bis sich van Uehm mit einer eigenen Beautymarke bei der Investorensendung „Die Höhle der Löwen“ bewarb.
Judith Williams stieg mit 250.000 Euro in das Unternehmen ein und van Uehm beschloss, sich von New Natural zu trennen. „Ich habe dann gesagt: ‚Ich kaufe das Unternehmen!‘, und wurde ausgelacht“, erklärt Zamorano. Dass die Mitarbeitenden so reagierten, verstand sie nur zu gut. „Ich war 23 und Werkstudentin! Das war schon absurd. Aber irgendwie habe ich in dem Moment gedacht: Wie oft bekommst du so eine Chance im Leben?“
„Ich habe meiner Chefin immer wieder versichert, dass ich das Unternehmen wirklich kaufen möchte. Nach vier Monaten hat sie mir ihren Finanzberater vermittelt.“ Dieser habe sie durch alle Verhandlungen begleitet. Es war, im Gegensatz zu einer Unternehmensgründung, relativ einfach, einen Kredit zu bekommen. „Als Gründerin oder Gründer musst du eine Vision haben. Aber wenn du ein Unternehmen übernimmst, dann legst du die Bilanz der letzten zwei Jahre vor. Die Bank gibt dir den Kredit in dem Wissen, dass es so weitergeht.“ Für den Eigenanteil löste Zamorano, die schon früh in Aktien investiert hatte, ihr Depot auf. Dann stellte sie ihre erste Mitarbeiterin an: sich selbst. Ihren Vertrag unterschrieb Zamorano als Geschäftsführerin, um rechtliche Sicherheiten und ein sicheres Gehalt zu haben.
Gemeinsam mit einer weiteren Mitarbeiterin, die sich schnell in alle Sales-Prozesse einarbeitete, hielt Zamorano zunächst das Unternehmen am Laufen. Später analysierte sie die Strukturen und Kosten, entfernte Karteileichen und Marken, die nicht gut performten, und machte Platz für neue Produkte. Eigentlich wusste sie von Anfang an, welche Marken nicht gut liefen, aber Fehler gehören zum Unternehmertum dazu. Rückblickend habe sie sich zu lange dem Status quo verpflichtet gefühlt.
Den Traum als Unternehmerin zu arbeiten, hatte Zamorano schon mit 16 Jahren. Sie wollte nachhaltige Mode kreieren, schlich sich auf eine Handelsmesse und telefonierte mit verstellter Stimme. Was damals noch nicht gelang, ist heute mehr als erfolgreich. Um insbesondere den weiblichen Start-up-Nachwuchs zu inspirieren, hält sie Vorträge an Schulen und Universitäten und hat vor kurzem die Female Founder Academy gegründet. Ihr Erfolgsgeheimnis? „Menschlichkeit ist mein Nummer-eins-Tool.“
Susanne Gietl für POTENZIAL