Weltweite Gesundheitsgeißeln im Visier
Adlershofer Unternehmen entwickeln bezahlbare Impfstoffe, bessere Diagnostik, personalisierte Therapien
Gesundheitsversorgung ist eine globale Aufgabe. Adlershofer Unternehmen entwickeln und liefern wichtige Beiträge im Kampf gegen HIV und Ebola, gegen multiresistente Krankenhauskeime und für zielgenauere Krebsbehandlungen.
Viren und Bakterien sind eine globale Macht, die Menschen allzu oft ihre Grenzen aufzeigen. Verfeinerte Diagnostik, Impfungen und gezieltere Therapien sind gefragt, um Krankheiten wie Krebs, AIDS oder Ebola den Schrecken zu nehmen und um multiresistenten Keimen das Wasser abzugraben. Vielversprechende Ansätze dazu kommen aus Adlershof.
Die Vaxxilon AG entwickelt hier synthetische Impfstoffe gegen zwei der drei gefährlichsten bakteriellen Bedrohungen für Klinikpatienten: Clostridioides difficile (C. difficile) und Klebsiella pneumoniae (K. pneumoniae). Laut Weltgesundheitsorganisation WHO könnten sie jederzeit unkontrollierbare Infektionswellen auslösen.
Denn sie haben Resistenzen gegen die meisten verfügbaren Antibiotika entwickelt. Impfungen könnten dieser drohenden Gesundheitskrise vorbeugen. Vaxxilon arbeitet an Impfstoffen auf Basis synthetischer Kohlenhydrate, die das Team mit Trägerproteinen oder molekularen Immunstimulatoren kombiniert. Weil diese den Zuckern der Zellwände von C. difficile und K. pneumoniae zum Verwechseln ähnlich sind, regen sie das menschliche Immunsystem zur Bildung von Antikörpern an. „Wir befinden uns in der präklinischen Phase und sind in formalen Gesprächen mit den Regulierungsbehörden für die erste klinische Studie, die 2021 starten soll“, berichtet Geschäftsführer Tom Monroe.
Nur einen Kilometer Luftlinie vom Vaxxilon Lab entfernt, entwickelt die Chembio Diagnostics GmbH global einsetzbare Geräte zum Auslesen von Schnelltests. HIV, Ebola- und Zika-Viren und andere Infektionskrankheiten weisen die Testsysteme binnen zehn bis 15 Minuten nach. „Wir liefern unsere Geräte im OEM-Geschäft an 150 Kunden in 45 Ländern weltweit“, erklärt Geschäftsführer Lutz Melchior.
Eine Spezialität der Firma, die bis zur Übernahme durch Chembio Diagnostics Inc. im Herbst 2018 opTricon hieß, ist ein mobiles Lesegerät. Der smarte Würfel passt dank vier Zentimeter Kantenlänge und nur 40 Gramm Gewicht in jede Jackentasche. Ein einziger Knopf sorgt für intuitive Bedienbarkeit. Wird er gedrückt, liefert das Gerät in drei Sekunden ein eindeutiges objektiviertes Ergebnis. Dieses kann der Untersuchende zur Dokumentation per Bluetooth an mobile Endgeräte übertragen. Gerade in entlegenen Regionen ist die vernetzte, schnelle und zuverlässige Mobildiagnostik der Schlüssel zur Eindämmung tödlicher Seuchen.
„Internationalität ist für Technologieunternehmen vom ersten Tag an Pflicht“, sagt Melchior. Es sei jedoch eine Herausforderung, trotz begrenzter finanzieller und personeller Ressourcen die Aufmerksamkeit internationaler Kunden zu gewinnen. „Wir setzen dafür auf Netzwerke wie das DiagnostikNet Berlin-Brandenburg, das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus ausstrahlt“, erklärt er.
Weit vernetzt ist auch die Alacris Theranostics GmbH. Im Führungsteam wirken Forscher und Fachleute aus Deutschland, Großbritannien und den USA mit. Ihre Kreise reichen auch nach Asien und dank diverser EU-Forschungsprojekte in viele europäische Länder. Kliniken suchen die Unterstützung der Berliner bei der personalisierten Behandlung von Krebspatienten – Präzisionsonkologie, für die Alacris die Datenbasis liefert. Personalisierung ist in diesem Fall gleichbedeutend mit zielgenauen Angriffen auf den individuellen Tumor.
„Jeder Krebs und jeder Patient ist anders. Die Kombinationsmöglichkeiten der Genvarianten im Krebsgenom sind höher als die Zahl der Wasserstoffmoleküle im Weltall“, erklärt Alacris-Geschäftsführer Bodo Lange. Sein Team geht diesen Unterschieden auf den Grund. Sie sequenzieren Gewebe- und Blutproben, lesen die Mutationen und Änderungen auf der DNA- und RNA-Ebene aus und leiten daraus Behandlungsmöglichkeiten ab. Dabei stützen sie sich auf Computermodellierungen, um die Komplexität der Tumorzelle sowie die Wirkung verschiedener Krebsmedikamente auf den jeweiligen Tumor zu simulieren.
Da die komplett ausgelesene DNA und RNA zugrunde liegt, lassen sich verschiedene Therapieansätze in den Modellen realitätsnah erproben, um wirksame Medikamente zu identifizieren und um die individuelle Krebstherapie zu optimieren. Um ihren systembiologischen Ansatz weltweit so vielen Krebspatienten wie möglich zugänglich zu machen, setzt Alacris auf Kostenreduktion durch Automation und Standardisierung. Denn eins ist klar: Gute Gesundheitsversorgung ist ein globales Ziel.
Von Peter Trechow für Adlershof Journal