Gezielt gegen Krebs
Tacalyx entwickelt eine Antikörpertherapie, die effektiver sowie besser verträglich sein soll als bisherige Therapien
Auf dem Schaubild sieht es so einfach aus: Da ragen Zuckermoleküle wie Pilze aus der Oberfläche einer Krebszelle. Genau dort docken die Antikörper an, die ein Chemotherapeutikum mit sich führen und so den Tumor gezielt bekämpfen. Nur der Krebs wird eliminiert, gesundes Gewebe geschont, Patient:innen geheilt.
In der Praxis ist es nicht so einfach, sind diverse Hindernisse zu überwinden, ehe eine effektive Therapie einsatzbereit ist. Doch Peter Sondermann, Mitgründer und CEO der Firma Tacalyx, ist zuversichtlich, dass die nächsten Schritte so erfolgreich verlaufen wie die ersten.
Tacalyx ist ein Spin-off des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam-Golm. Bislang arbeitete das neunköpfige Team im Bayer CoLaborator im Wedding, musste sich aber wegen steigendem Platzbedarf eine neue Bleibe suchen. Gut erreichbar für die hochqualifizierten Mitarbeitenden sollte der Standort sein, ein inspirierendes Umfeld für das junge Unternehmen bieten. „Wir haben mehrere Standorte in Erwägung gezogen, aber das Konzept des Technologieparks Adlershof war am überzeugendsten und hat uns die größte Flexibilität eingeräumt, darum sind wir jetzt hier“, sagt der Chef.
Das Ziel von Tacalyx kann als Antikörpertherapie der nächsten Generation bezeichnet werden. Bereits die erste Antikörpergeneration hat die Krebsbehandlung enorm vorangebracht. Anstatt mit Chemotherapie und Bestrahlung relativ unspezifisch die Tumore zu attackieren, werden Antikörper eingesetzt. Diese sind spezialisiert auf Proteine, die Krebszellen auf ihrer Oberfläche ausbilden. Nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip docken sie an und markieren die Zellen für die Zerstörung durch das körpereigene Immunsystem, erläutert Sondermann. „Solche Proteine finden sich aber nicht nur auf Krebszellen, sondern auch in geringeren Mengen auf gesunden Körperzellen, die daraufhin ebenfalls angegriffen werden, was zu Nebenwirkungen führt.“
Tacalyx setzt hingegen bei Kohlenhydraten an, die ebenfalls auf der Oberfläche von Krebszellen vorhanden sind. Sie erlauben es, Metastasen oder neue Blutgefäße zu bilden sowie eine Immunabwehr des Körpers zu unterdrücken. „Diese Kohlenhydrate finden sich bei Erwachsenen nur auf Krebszellen, aber nicht in gesundem Gewebe, sie ermöglichen damit eine gezieltere Therapie“, erläutert der Wissenschaftler. Diese sogenannten TACAs (Tumor-Associated Carbohydrate Antigens) waren auch namensstiftend für die Firma Tacalyx.
„Mit unserem Therapieansatz können wir viel zielgerichteter gegen Krebszellen vorgehen“, sagt Sondermann. Für die Betroffenen bedeutet das: Ärztinnen und Ärzte können höhere Wirkstoffkonzentrationen einsetzen, weil das normale Gewebe weniger geschädigt wird. „Neben einer höheren Dosis wird durch die hohe Spezifität unseres Ansatzes eine längere Behandlung möglich, bei der möglichst alle Krebszellen getötet werden sollen, ohne dass es zu unakzeptablen Nebenwirkungen kommt, die letztendlich zum Abbruch der Therapie führen würden.“
Tacalyx konzentriert sich in der Therapieentwicklung auf schwere Krebserkrankungen, die mit anderen Verfahren nur ansatzweise behandelbar sind, etwa Darm- und Lungenkrebs.
Aktuell werden weiterhin neue TACAs auch mit akademischen Forschungspartnern identifiziert, die identifizierten TACAs synthetisiert und Antikörper hergestellt und charakterisiert. Parallel dazu wirbt Tacalyx weitere Mittel ein, um die Sicherheit und Wirksamkeit der ersten Antikörper an Erkrankten zu untersuchen.
„In zwei Jahren könnten erste klinische Tests beginnen“, sagt Sondermann, „und wenn die Ergebnisse überzeugend sind, wäre ein entsprechendes Medikament um 2030 verfügbar.“
Ralf Nestler für Adlershof Journal