Ideen für den Maschinenraum der Zukunft
Die CHIC Start-ups dive solutions GmbH, 1000 Kelvin GmbH und Digimind GmbH bieten digitale Lösungen zur Optimierung und Simulation von industriellen Prozessen
Ganze Maschinen und Anlagen entwickeln sie zwar nicht. Doch mehrere Start-ups aus dem CHIC treiben digitale Lösungen voran, mit denen sich Fertigungsprozesse, Maschinenlaufzeiten und auch Produkte optimieren lassen. Eins haben die dive solutions GmbH, die 1000 Kelvin GmbH und die Digimind GmbH gemeinsam: Die Teams wachsen schnell.
Anfangs waren Pierre Sabrowski und Maik Störmer mit ihrer Idee zu zweit: Die Wissenschaftler planten ein neuartiges Simulationsverfahren, um Strömungen von Flüssigkeiten oder Gasen beispielsweise in Maschinen, Getrieben, Wälz- und Kugellagern oder auch in Rohren genauer berechnen zu können. Anstatt den durchströmten Raum als Gitter zu rastern und dann Quadrat für Quadrat zu berechnen, schwebte es ihnen vor, das strömende Medium als eine Wolke winziger Partikel darzustellen und deren Strömung als Ganzes zu simulieren. Auf diese Idee waren sie im Zuge eines Kooperationsprojekts dreier Berliner Hochschulen mit der BSH Hausgeräte GmbH gekommen. Bald schlossen sich mit Johannes Gutekunst und Felix Pause zwei Mitstreiter an. Gemeinsam rief das Quartett 2017 – geförderte mit einem EXIST-Gründerstipendium – ihre auf mittlerweile 25 Beschäftigte gewachsene dive solutions GmbH ins Leben. Eine Runde im A²-Accelerator-Programm der WISTA, diverse Finanzierungsrunden und Auszeichnungen in Gründungswettbewerben liegen hinter dem Team, das seine Zelte 2019 im CHIC aufgeschlagen hat.
Industriekooperationen als Reifephase
Weil ihr innovatives partikelbasiertes Strömungssimulationsverfahren anfangs zwar großes Potenzial versprach, aber für eine erfolgreiche Vermarktung noch reifen musste, suchte das Team gezielt Kooperationsprojekte mit Partnern aus der Industrie und Forschung. Es fand sie in der Schaeffler Technologies AG & Co. KG, den Berliner Wasserbetrieben, der NGC Transmission Europe GmbH oder dem Institut für Maschinenelemente und Maschinenkonstruktion (IMM) der Technischen Universität Dresden. Nicht nur das Simulationsverfahren ist in diesen Kooperationen gereift: Heute bietet dive solutions ihren Kunden aus der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, Maschinenbau oder auch aus der Energiewirtschaft und dem Hausgerätesektor ihre Lösung in der Cloud an, wo die Kundschaft ohne eigene Hardware oder Softwareinstallation exakt so viele Simulationen durchführen kann, wie benötigt. Der Effekt: durch die optimierte Schmierung und Kühlung halten Getriebe und Wälzlager nicht nur länger, die Anwendenden sparen auch Schmierstoff und profitieren von erhöhter Effizienz ihrer Maschinen und Anlagen. „Würden wir die Effizienz der Getriebe aller in Deutschland betriebenen Windenergieanlagen um ein Prozent steigern, ließe sich mit dem Ertrag der Strombedarf von 670.000 Menschen decken“, rechnen die Gründer vor.
KI optimiert additive Fertigungsprozesse…
Während die Strömungssimulationen von dive solutions auf eine sehr breite industrielle Zielgruppe ausgelegt sind, zielt das junge Team der 1000 Kelvin GmbH mit seinen Lösungen auf ein junges Verfahren, dass an der Schwelle zur industriellen Fertigung steht: Additive Manufacturing (AM). Über ein Dutzend Verfahren für Kunststoffe, Metalle oder keramische Materialien laufen unter dem Oberbegriff „3D-Druck“. Bauteile werden dabei aus einigen Hundert bis vielen Zehntausend Schichten aufgebaut, was es ermöglicht, im Innern fast nach Belieben Hohlräume und Kühlkanäle zu realisieren. Auch variierende Wandstärken, maximale Flexibilität in der Formgebung bis hin zum Druck von beweglichen Teilen im Bauteil sind möglich. Teils gelingt es, Baugruppen, die bisher aus vielen Einzelteilen montiert wurden, zu einem komplexen Bauteil zu fusionieren und als Ganzes auszudrucken.
Doch die Technologie, die ihre Anfänge im Prototypenbau nahm, ist noch nicht ausgereift. Gerade Pulverbettverfahren, in denen Laser feinste Metallpulver in µm-dünnen Schichten zu Bauteilen verschmelzen, sind störanfällig. Hier setzt die 1000 Kelvin GmbH aus dem CHIC an. Geschäftsführerin Katharina König und Entwicklungsleiterin Katharina Eissing nutzen künstliche Intelligenz (KI), um AM-Verfahren die Kinderkrankheiten auszutreiben. Konkrete Ansätze dafür sammelte die promovierte Quantenphysikerin Eissing bei der Siemens AG, wo sie mit additiven Verfahren arbeitete.
… und sorgt für personelles Wachstum
Unter anderem setzt 1000 Kelvin nun auf hybride Rechenprozesse mit parallel Computing, um die rechenintensive Erstellung der digitalen 3D-Druckvorlagen dynamischer zu gestalten. Grafikprozessoren steigern dabei die Perfomance, damit es bei komplexen, feinstrukturierten Bauteilen nicht zu Abweichungen kommt, die sich im Bauprozess als Strukturfehler niederschlagen. Eine weitere Fehlerquelle sind Überhitzungen im Laserschmelzprozess, wenn der oder die Laser mit zu geringem zeitlichen und räumlichen Abstand auf das Metallpulver einwirken. Mithilfe der KI beseitigt das Team solche Fehlerquellen schon in der Pre-Prozessphase. Eine API (Application Programming Interface) sorgt dafür, dass sich die KI-Lösung in bestehende Prozessketten integrieren lässt.
Wenige Monate nach der Gründung hat 1000 Kelvin schon ein halbes Dutzend Beschäftigte, darunter ein Werksstudent, der nebenan an der Technischen Universität Berlin studiert. Auch erste Kontakte zur Anbietern von AM-Anlagen und industriellen Anwendern sind bereits zustande gekommen.
Verpackungen nachhaltig gestalten und produzieren
Eissing treibt im CHIC noch ein weiteres Start-up voran: Die 2020 gegründete Digimind GmbH, in der sie ihr KI- und Simulations-Know-how für nachhaltigere Verpackungen in Stellung bringt. Ein durchgehend digitaler Designprozess ist darauf ausgelegt, dass der ökologische Fußabdruck von Entwürfen bereits in der Designphase sichtbar ist und sich die Auswirklungen etwaiger Änderungen ermitteln lassen. Zudem macht die Simulation die Materialkosten sichtbar. Das ist wegen der steigenden Preise für Kunststoffe (ob neu oder recycelt) und für Pappe und Papier wichtig.
„Es geht darum, mit möglichst geringem Materialeinsatz optisch und funktional hochwertige Lösungen zu schaffen, die alle regulatorischen Anforderungen erfüllen“, erklärt Eissing. Noch fehlen im Verpackungsdesign solche digitalen Toolketten. Stattdessen führt der Designprozesse über Prototypen, die iterativ optimiert werden. Im digitalen Prozess macht der KI-Einsatz die Nachhaltigkeit der Entwürfe und deren Produzierbarkeit transparent, was die Workflows stark beschleunigt. Designende können Testläufe mit unterschiedlichen Materialien durchspielen, Folien- oder Wandstärken virtuell variieren und alle geforderten Funktionen per Simulation absichern. So könnte die Verpackungswelt zügig echte Kreislaufprozesse etablieren.
Die Umsetzung treibt das Team im Berliner CHIC – und in Casablanca, Marokko, voran. „So beugen wir dem IT-Fachkräftemangel vor“, sagt Eissing. In Nordafrika sei es vergleichsweise leicht, bestens qualifizierte, hochmotivierte IT-Fachleute zu finden. Am CHIC hält sie dennoch fest: „Wir fühlen uns hier richtig wohl – und räumliche Distanz ist in Pandemiezeiten ja fast der Normalzustand“, erklärt die Gründerin.
Von Peter Trechow für CHIC!
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