Echtzeitbeobachtung von Elektronendynamiken in Molekülen
MBI-Forscher forschen mit Laserimpulsen im Attosekundenbereich
Eine wichtige Anwendung für ultrakurze Laserimpulse mit einer Impulsdauer im Attosekundenbereich (1 as = 10-18s) ist das Kontrollieren von Elektronendynamiken in Molekülen. Würde es gelingen, Elektronen auf ihrer natürlichen Zeitskala von einigen hundert Attosekunden bis wenigen Femtosekunden (1 fs = 10-15s) zu manipulieren, wäre es vielleicht möglich molekulare Prozesse mit unerreichter Präzision zu steuern. Theoretische Arbeiten der letzten Jahre sagen vorher, dass eine Ladung (positive Fehlstelle in der Elektronenverteilung), welche durch plötzliche Ionisation des Moleküls entstanden ist, in der Lage ist, sich in wenigen hundert Attosekunden von einer Seite des Moleküls zur anderen zu bewegen. Diese sogenannte Ladungsmigration mag wiederum die nachfolgenden chemischen Prozesse, z.B. die Dissoziation, beeinflussen, was als „charge-directed reactivity“ (ladungsgesteuerte Reaktivität) bezeichnet wird. Ein erster Schritt diese Vorhersagen experimentell zu nutzen wird es sein, ultraschnelle Elektronenbewegungen in Molekülen experimentell sichtbar zu machen. Die Experimente, welche in den neuen Attosekundenlaboratorien am Max-Born-Institut durchgeführt und in Physical Review Letters veröffentlicht wurden, belegen, dass dies nun erstmals gelungen ist.
Die kürzesten Laserimpulse, welche Wissenschaftler heutzutage erzeugen können, haben eine Impulsdauer von nur 50 - 500 as. In einem Prozess, der „Erzeugung höherer Harmonischer“ (high-order harmonic generation (HHG)) genannt wird, wird ein Edelgas von einem Nahinfrarotlaser ionisiert. Das freigesetzte Elektron wird im Laserfeld in Feldpolarisationsrichtung erst vom Ion weg und danach zum Ion zurück beschleunigt. Hierbei kommt es zur Rekombination und die aufgebrachte Energie, welche benötigt wurde um das Gas zu ionisieren und das freie Elektron zu beschleunigen, wird in Form von Photonen freigesetzt. Die Photonenenergie liegt typischerweise im Bereich von 10 - 100 eV und entspricht einem Vielfachen der Photonenenergie des Nahinfrarotlasers. Da die Periode des Nahinfrarotfeldes im Bereich von nur wenigen Femtosekunden liegt und der Rekombinationszeitpunkt für alle freigesetzten Elektronen etwa gleich ist, kann man optische Impulsdauern im Attosekundenbereich erreichen.
Während Femtosekundenimpulse erfolgreich genutzt wurden um Strukturänderungen in Molekülen zu studieren, benötigt man Attosekundenimpulse um die schnellen Bewegungen von Elektronen in Molekülen zu verfolgen. Nachdem diese ultrakurzen optischen Impulse im Jahr 2001 zum ersten Mal beobachtet worden sind, wurden diese für Studien von verschiedensten Systemen wie Atomen, Molekülen und Festkörpern eingesetzt. In vorangegangen Arbeiten des MBI-Teams wurden bereits Attosekundenimpulse für Pumpe-Probe-Untersuchungen an Molekülen genutzt. Es wurden erste experimentelle Hinweise auf die Kopplung von Elektronen- und Kernbewegungen auf Attosekunden- und Femtosekundenzeitskalen sowie die Auswirkungen der Verschränktheit in Multielektronensystemen gefunden. Es war bisher allerdings nicht möglich reine Elektronendynamiken in neutralen Molekülen mit Attosekundenimpulsen zu studieren.
Die neusten Ergebnisse zur erfolgreichen Beobachtung von molekularen Elektronendynamiken basieren auf „dynamischer Ausrichtung“. Diese Technik wurde schon vor einiger Zeit vom MBI-Team genutzt und ist mittlerweile ein fester Bestandteil von vielen Experimenten, welche die Struktur und Dynamiken von und in Molekülen untersuchen. Wird ein Molekül Laserstrahlung ausgesetzt, die zwar zu schwach ist das System zu ionisieren, aber stark genug um im Molekül einen Dipol zu induzieren, so richtet sich die polarisierbarste Molekülachse entlang der Laserpolarisationsachse aus. Mit Hilfe dieser dynamischen Ausrichtung gelingt es Prozesse, welche im Molekülbezugssystem stattfinden, im Laborbezugssystem zu studieren.
In den kürzlich veröffentlichten Experimenten, die vom MBI-Team zusammen mit Kollegen aus Lyon (Frankreich) und Lund (Schweden) durchgeführt wurden, konnte dieser oszillierende Dipol direkt beobachtet werden. Das Molekül wurde durch einen Attosekundenimpulszug ionisiert, der zum Feld des dipolinduzierenden Nahinfrarotlasers synchronisiert war. Je nach Phase zwischen Pumpe- und Probeimpuls war die Ionisationswahrscheinlichkeit deutlich verschieden. Waren die Blitze des Attosekundenimpulszugs synchronisiert zum Nulldurchgang des Nahinfrarotfeldes (Abbildung 1 (a)), so war die Ionisationsausbeute kleiner als wenn die Blitze mit den Extrema des Nahinfrarotfeldes synchronisiert wurden (Abbildung 1 (b)). Der Grund hierfür ist die Energie- und Impulserhaltung. Vorausgesetzt die Photonenenergie im Attosekundenblitz ist ausreichend, ist es deutlich einfacher Elektronen aus dem Molekül zu lösen, welche sich dicht an den atomaren Kernen bewegen. Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit wird aber durch das Nahinfrarotfeld periodisch verändert (Abbildung 1 (c)), was zu einer Modulation des Ionisationswechselwirkungsquerschnittes führt (Abbildung 2).
Das Pumpe-Probe-Experiment wurde für verschiedene Moleküle durchgeführt, wobei sich der o.g. Effekt linear mit der Polarisierbarkeit der Moleküle veränderte (Abbildung 2). Die experimentelle Anordnung kann als erste Implementierung der Stark-Spektroskopie auf Attosekundenzeitskala interpretiert werden. Mit dieser Methode wird die Antwort des Moleküls auf ein äußeres elektrisches Feld optisch abgefragt. Zukünftige Experimente des MBI-Teams werden sich mit transienter Absorption mit Attosekundenzeitauflösung beschäftigen. Außerdem sollen optische Attosekundenimpulse genutzt werden um intrinsische Ladungsbewegungen in Molekülen, welche nicht durch ein externes Laserfeld induziert wurden, zu beobachten.
Abbildung 1: Der Attosekundenimpulszug (blau) ist entweder synchronisiert mit den Nulldurchgängen des Nahinfrarotfeldes (rot) (a) oder zu dessen Extrema (b). In diesem Fall wird das Molekül ionisiert, wenn seine Elektronendichteverteilung vom Nahinfrarotfeld verändert wurde. Diese Veränderung der Elektronendichte ist in (c) für molekularen Stickstoff gezeigt. Hierbei bedeutet rot, dass sich die Dichte in diesem Teil des Moleküls erhöht hat, während blau auf das Gegenteil deutet.
Abbildung 2: Gemessene Variation der Ionisationsausbeute als Funktion der Pumpe-Probe-Verzögerung (schwarz). Die Moleküle (molekularer Stickstoff, Kohlenstoffdioxid und Ethen) wurden unter Einwirkung eines Nahinfrarotfeldes durch einen Attosekundenimpulszug ionisiert. Die rote Linie ist das Ergebnis einer Fourieranalyse nahe der doppelten Frequenz des Nahinfrarotlasers.
Link: http://prl.aps.org/abstract/PRL/v111/i3/e033001
Kontakt:
Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
Prof. Marc Vrakking
Tel.: +49-30-6392-1200
Christian Neidel
Tel.: +49-30-6392-1238